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Mord in Müggelheim

Im Gespräch mit Marion Schwarzwälder,
Autorin von „Trio Berlin. Susan Cohrs ermittelt“

Der Klappentext ist sparsam mit Angaben. Nur Namen, Geburtsjahr, Studium der Literatur und Musik, häufige Umzüge in Berlin, Musik machen mit dem MAGO Saxophon Trio ...

Saxophon spielen auch die drei Protagonistinnen in Marion Schwarzwälders Krimi. Gabriele, gut betuchte Rechtsanwältin, Babs, Kriminalbeamtin in der Mordkommission, Susan Cohrs, abgebrochene Jurastudentin, jetzt Privatdetektivin. Die Musik, wehrt Marion Schwarzwälder ab, ist weitgehend das einzige, was sie mit dem Trio gemeinsam hat. Vielleicht liegt's an der Ich-Form des Romans, daß man geneigt ist (obwohl man es anders weiß), Parallelen zu vermuten? Nein, sie fährt kein Auto, hat keine Eigentumswohnung im 4. Stock und ist, anders als ihre Detektivin, auch kein Nachtmensch. Im Gegenteil. Vormittags sind ihre produktivsten Schreibstunden. Als Gemeinsamkeiten könne noch gelten: viel Kaffee trinken und rauchen. Die Zigaretten dreht sie sich übrigens selbst. Marion Schwarzwälder, geboren im Schwarzwald, das klingt nach Pseudonym. Ist es aber nicht. Gut vierzig Jahre trägt sie diesen Namen. Gelegentlich schimmert in der Sprache noch der heimatliche südliche Dialekt durch. Seit langem ist sie aber in Berlin zu Hause, findet es „spannend, hier zu leben, in dieser Stadt, die in ständiger Veränderung ist.“

Zu unserem Gespräch sind wir im „Zwiebelfisch“ verabredet. Das hat sich so ergeben. Es ist genau jene Kneipe am Savignyplatz, in der die drei cleveren Frauen am Ende des Buches ihren Erfolg feiern. Zwei Morde sind aufgeklärt, eine Schmiergeldaffäre um Grundstückspekulationen enthüllt. Trio Berlin ist Marion Schwarzwälders erstes Buch. Ein gelungener Start. Was harmlos beginnt, entwickelt sich als brisante, aktuelle Geschichte. Für eine Klientin von Gabriele recherchiert Susan im begehrten Berliner Vorort Müggelheim. Ein Alteigentümer aus dem Westen hat Anspruch auf das Grundstück der Familie Klusik erhoben. Bei einer ersten Ortsbesichtigung entdeckt Susan die Leiche des ermordeten Hausherrn Peter Klusik. Mord aus Eifersucht, denn Frau Klusik hat einen Geliebten, oder brutal geplantes Verbrechen, weil die Familie nicht so ohne weiteres ausziehen wollte? In einer weitverzweigten Handlung mit Schauplätzen in Berlin und Bonn, interessanten Personen und natürlich bedrohlichen Situationen für die pfiffige Susan wird die Geschichte erzählt. Darin verwickelt ein Westpolitiker auf dem absteigenden Karriereast, der zur Aufbauhilfe in den Osten kam. Ein facettenreicher Krimi mit vielen Bezügen zur Wirklichkeit im wiedervereinigten Berlin. Auch an Humor und Ironie fehlt es nicht, beispielsweise beim Blick in plüschige deutsche „Wohngefängnisse“ mit ihrer erstickenden Ordnung, hüben wie drüben. Oder wenn von Männerphantasien in einem Domina-Studio die Rede ist.

„Mich interessieren Umbrüche“, antwortet die Autorin auf die Frage, wie sie zu diesem Stoff gekommen ist. „Wenn man in Berlin lebt und sich einigermaßen wach umsieht, dann drängen sich bestimmte Themen auf.“ Die Frage sei nur, welche man zuerst anpackt. „In der Entwicklung seit 1989 hat sich die Rückübertragung von Eigentum als eines der markantesten Probleme erwiesen. Während die Politiker so gern von Zusammenwachsen sprechen, zeigt sich gerade hier, wie weit man in Berlin noch davon entfernt ist.“ Außerdem kennt sie Leute, die davon betroffen sind. Und überhaupt, dieses Sparen von unten nach oben, das abgehobene, ignorante Dasein von Politikern, die Art und Weise, wie Bonner nach Berlin kommen und die Stadt umbauen, als wär's ihr persönliches Ghetto, darüber kann sie sich schon ärgern.

Für ihr Buch hat Marion Schwarzwälder sehr genau recherchiert. Im Stadtplanungsamt und bei der Polizei, Gerichtsverhandlungen besucht, Fachliteratur gewälzt, Juristen konsultiert und immer wieder mit Leuten gesprochen, „die mir ihre Erfahrungen und ihr Wissen zur Verfügung stellten“. Auch in zwei Domina-Studios hat sie sich kundig gemacht und den dort beschäftigten Damen anschließend den Text vorgelesen. „Ich muß wissen, wovon ich schreibe. Die Personen sind erfunden, aber sie leben jetzt, alles muß stimmen.“ Marion Schwarzwälder schreibt in einer lakonischen, knappen, bisweilen deftigen Sprache. Genau und atmosphärisch dicht die Beschreibung von Orten: Die Eigenheimsiedlung in Müggelheim, Fahrten mit der S-Bahn von hüben nach drüben, der Blick aus einer Wohnung im Zentrum der Stadt zum Alexanderplatz und Nikolaiviertel, Berlin mit seinen Abrißhäusern, Fixern, Dealern und Geschäftemachern, wachsenden Luxusgeschäften, geschlossenen Eckkneipen und verödeten Straßenzügen. „Das ist ein Faible von mir, Berlin nach dem Stadtplan zu erlaufen. Die einzelnen Kieze haben hier noch einigermaßen ein Charakteristikum, gibt's Unterschiede im Lebensgefühl.“ Siebenmal hat sie in Berlin schon ihre Adresse geändert. Von Kreuzberg über Friedenau bis nach Schöneberg und Charlottenburg. Jetzt reizt die Umtriebige der Ostteil der Stadt, kein Schickimicki-Revier, aber die Mitte, Teile von Friedrichshain oder Prenzlauer Berg könnte sie sich schon vorstellen.

Die zentralen Figuren im Buch sind Frauen. Zu Tode kommen ein Mann und eine Frau. Gibt es beim Krimischreiben den besonderen weiblichen Blick oder eine andere Sicht auf Opfer und Täter? „Wie Verbrechen erlebt und begangen werden, da bestehen sicher Unterschiede“, meint Marion Schwarzwälder, aber ob sie anders darüber schreibt, vermag sie nicht zu sagen. „Frauen wird oft ein Vorsatz unterstellt. Aber bis sie dazu kommen zu morden, müssen sie schon sehr verzweifelt sein. Wenn sie dann in die Küche gehen, das Messer holen und zustechen, gilt das als Vorsatz, als Planung. Einem Mann, der kraft seiner körperlichen Stärke eine Frau umbringt, wird eher zugute gehalten, die Tat sei nicht geplant.“

Mittlerweile hat Susan Cohrs in einem weiteren Fall ermittelt. Diesmal führt sie ihr Detektivdasein in die Welt des Musicals. Im Juli wird das Ergebnis vorliegen. Es ist eine in sich geschlossene Handlung. Neben dem Trio werden dem Leser auch bekannte Figuren aus dem ersten Buch wiederbegegnen. Der Bogen des Geschehens spannt sich dabei von der Nazizeit bis zur Gegenwart. Und wie es einem Trio gebührt, arbeitet die Autorin am dritten Band der Cohrs-Geschichten. Wer mit dem Lesen nicht nachkommt, dem bleibt zum Trost das Fernsehen, das schon Film-Interesse fürs erste Buch bekundet hat.

Neue Pläne sind gereift. Ein Buch über die Kanarischen Inseln soll entstehen. Mit ihrem Mann hat Marion Schwarzwälder drei Jahre dort gelebt. In einem Fischerdorf. In jener Zeit kam Strom in den abgelegenen Ort, und alles wurde anders. Fischer holten ihre Boote an Land, begannen im Tourismus zu arbeiten, Familien, Kinder sahen sich in völlig neue Lebenszusammenhänge gestellt. Lange bewährte Traditionen brachen weg. Das Zeitalter des Fernsehens begann. Was sich anderswo über Jahrzehnte entwickelte, vollzog sich hier innerhalb kürzester Frist. Auch eine Zeit des Umbruchs mit tiefen Einschnitten in das Leben der Menschen.

Musik und Literatur - beides ist Marion Schwarzwälder wichtig. „Beim Schreiben bin ich allein, Musik ist teilen mit anderen“. Beides braucht sie. Und Elemente der Musik beeinflussen auch das Schreiben, den Rhythmus der Sprache. In reality teilt sie (auch ein Unterschied zum Buch) im MAGO Trio die Musik mit Ehemann Gottfried Klier und Martin Fernholz. MAGO - das sind die Kürzel der Vornamen, „Zauberer“ bedeutet das Wort im Spanischen. Lustvolles Eintauchen und Sichfinden in der Musik verbindet auch die drei Romanfiguren. „Gabriele vergaß, daß sie ‚ja eigentlich nicht improvisieren kann‘, mich machte niemand an, daß ich zu laut und zu frei bliese, und Babs fand irgendwann den exakten Puls, diesen idealen Beat, der nicht treibt, nicht hastet, aber auch nicht schleppt. ... Wir improvisierten über das hinaus, was wir schon voneinander kannten, jede für Minuten mit ihrem Instrument beschäftigt, versunken nebeneinander her spielend, irgendwann fing ich einen Blick von Gabriele auf und irgendwann sah auch Babs hoch. Das Zusammenspiel begann. Mein Fuß erdete, tippte den Beat und verlor die Erinnerung an die Leichenhand.“

Auch so kann Krimi sein.

Gudrun Schmidt

Marion Schwarzwälder:
Trio Berlin. Susan Cohrs ermittelt.
Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 1996, 244 S.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 05/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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