Eine Rezension von Kathrin Bosien

Von Japan lernen, heißt siegen lernen!

Patrick Reinmöller: Die 10 Marketingtrends aus Japan:
Was Sie heute vom Marketing-Champion übernehmen können, um morgen zu siegen.
Metropolitan Verlag, Düsseldorf, 1996, 312 S.

Vor einigen Jahren wußte ein japanischer Designer seinen deutschen Zuhörern zu gefallen, indem er die deutsche Industrie mit einer Mutter und die japanische Wirtschaft mit einem Kind, das herangewachsen ist, verglich. Der Autor des vorliegenden Buches beschreibt die Reaktion des deutschen Publikums, das, geschmeichelt ob soviel Ehrfurcht, nickte und die Botschaft nicht verstand: „Wer nicht lernt wird alt.“ Hier setzt der Autor mit seiner Kritik der deutschen Industrie an. Die wolle zwar in Japan verkaufen, da dieses aber nicht wie gewünscht klappt und der japanische Konkurrent zudem noch erfolgreich im internationalen und im deutschen Markt auftritt, müssen mysteriöse Erklärungen dafür herhalten. Patrick Reinmöller sind die Flut von „Furcht-Schadenfreude- oder Wunderwaffenliteratur über die ‚gelbe Gefahr‘, die ‚gelben Versager‘ oder ‚neue unschlagbare Schwerter der Samurai‘“ nicht verständlich. Noch unverständlicher erscheint ihm als Marketingspezialisten die „notorische Mißachtung“ des japanischen Marketings in Deutschland. Eine Ursache für Mißerfolge europäischer Unternehmer sieht der Autor darin, daß die meisten als Verkäufer nach Japan kommen würden und die wenigsten als „lernende Unternehmer“. Er moniert, daß den Unternehmensführungen, die nur mit einer Art „Stippvisiten-Management“ in Japan präsent sind, Informationen, die den Einheimischen selbstverständlich zugehen, verborgen bleiben müssen. Die Abrechnung mit deutscher Ignoranz ist dabei nur Ausgangspunkt, aber nicht das Hauptanliegen des Autors.

Patrick Reinmöller, Unternehmensberater für Firmen in Japan, Italien und Deutschland, beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit Design-Innovationen und Marketingstrategien japanischer Unternehmen. So kann er Ideen und Anregungen vermitteln, „die in den deutschen Marketingetagen zur Pflichtlektüre gehören sollten“, wie es im Klappentext des Buches heißt.

Was er hier zusammengetragen hat, bietet dem Leser aber viel mehr als Marketinginfos. Wer sich für die Entwicklung in Asien interessiert, wird dieses Buch bald unverzichtbar finden. Es bietet eine Fülle von wichtigen Informationen, z. B. über die Individualisierung in der japanischen Gesellschaft. Aber auch scheinbar nebensächliche Details, wonach Japan beispielsweise über fünf Millionen Automaten verfügt, ergeben ein facettenreiches Bild dieses Landes.

Auch wenn einige Trends und Produkte anfangs ein Schmunzeln hervorrufen werden, es wird nicht lange dauern und auch wir werden davon überschwemmt werden. Ob es nun die „stumme Trompete“ oder „nyusu bijon“, Nachrichten, die als „Untertitel“ auf dem Bildschirm erscheinen, sind. So wird mittlerweile auch die deutsche Presse auf den neuesten japanischen Spielzeugtrend, das virtuelle Haustier, aufmerksam: Ein elektronischer Vogel in Größe eines Hühnereis, mittels winzigem Bildschirm zum Leben erweckt, kann per Knopfdruck gestreichelt, gefüttert und gepflegt werden. Wenn das „Haustier“ vernachlässigt wird, stirbt es und kann nicht mehr in Gang gesetzt werden. Ein Psychologe sieht darin den instinktiven Wunsch befriedigt, für etwas sorgen zu können. Schöne Aussichten? Es gibt noch mehr davon in Reinmöllers Buch zu entdecken. Vielleicht ein 10-Sekunden-Frühstück gefällig? Statt einer gemeinsamen Mahlzeit am Küchentisch schiebt sich jedes Familienmitglied den Inhalt eines Alu-Beutels in den Mund. Am Abend sitzt dann die Familie vereint vor dem Weitwinkelfernseher mit dem „Multi-Programm-Bildschirm“, auf dem gleichzeitig mehrere Fernsehprogramme verfolgt werden. Absurd? Die Wegwerfkamera wurde anfangs auch belächelt und hat längst nicht nur die Fotoläden erobert.

Des weiteren bietet Patrick Reinmöller unfreiwillig einen Diskussionsbeitrag zur Rechtschreibreform.

Daß ohne fundierte Englischkenntnisse kein deutsches Wirtschaftsbuch mehr gelesen werden kann, dürfte sich mit der Zeit herumgesprochen haben. Bei Reinmöller hört sich das so an: „... die Industrie erfährt ein emotionales InterFace-Lifting. Es geht um High-Touch durch High-Tech“ oder „Digital nomads ... haben andere Vorstellungen von Basics und Exceptions“. Ihm wird es ziemlich egal sein, ob es außen oder aussen heißt, da er wie im Marketing offensichtlich üblich, dafür das Wort outdoor benutzt. Wie schreiben wir Kaffeeladen? Natürlich Coffee-Shop. Offensichtlich gibt es auch keine deutschen Worte für Pager, Pocket Bells, Safety-Products, Game-Halls, Shopping-Center, outlet, Think tank, Mail-Order-Firmen, Supply-System ..., die Liste allein aus diesem Buch ließe sich beliebig fortsetzen. Vielleicht sollten sich die Hüter der deutschen Sprache mehr um deren Anglifizierung sorgen, statt sich über zaghafte Regelvereinfachungen zu ereifern. Auch ihnen kann daher die Lektüre dieses Buches wärmstens empfohlen werden.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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