Eine Rezension von Sabine Graßmann

Kalifornische Murmeln oder die Wanne wird voll ...

Jennifer Louden: Tu dir gut!
Das Wohlfühlbuch für Frauen.
Verlag Hermann Bauer, Freiburg im Breisgau 1996, 249 S.

Ach ja, Jennifer, du hast ein Haus in Kalifornien. Auch wenn es ein kleineres war als dein ursprüngliches, das du verkaufen mußtest, weil du einen Skiunfall hattest, weil du dein Auto zu Schrott gefahren hast, weil in deiner Verwandtschaft gestorben wurde, weil dein Lover dich verlassen hat. Auch wenn du beim Häuser-hin-und-her-Verkaufen geprellt wurdest, gerade erst beim Aufstieg als Drehbuchautorin noch vor dem großen Durchbruch den Job hingeschmissen hast, dich schließlich auch noch dein eigener Hund gebissen hat (hundeelend kann einem dabei werden) und du in die tiefste Krise deines Lebens geraten bist (was ich bei all der Unbill voll verstehen kann) - aber du hast ein Haus in Kalifornien!

Und du hattest eine gute Therapeutin, die dich wieder aufgebaut hat, und vor allem hast du wohl einen guten Riecher gehabt, um genau in die Marktlücke zu stoßen, die sich in den 80er Jahren bei euch auftat: Frauen-power!

Und weil du dein Buch ja auch für Frauen aus der ganzen Welt geschrieben hast, denn du hast ja „weltweit Fragebogen verschickt“ (ich habe übrigens keinen bekommen), stöbere ich als deutsche Frau, genauer ost-deutsche, in deinen Wohlfühlratschlägen. Als dein Buch erstmals 1992 in den USA erschien, hattest du gewiß nichts oder nicht viel von den Frauen aus der DDR gehört, denn wir waren doch zum großen Teil berufstätig, materiell ziemlich unabhängig, zugegeben, wir hatten eine Doppelbelastung, weil wir uns neben unserer Arbeit, die nicht einfach nur ein „Job“ war, tatsächlich auch noch um das Wohlbefinden unserer Familien kümmerten. Du hast insofern recht, wir hatten wenig Zeit, um uns „gut zu tun“. Bald nach dem Mauerfall sah das allerdings ganz anders aus, da haben viele von uns ihre Arbeit verloren, auch vor manch großem Durchbruch, da hatten wir viel Zeit für uns, viel zuviel manchmal!

Da avancierten Ehemänner zu Familienvorständen, etliche entpuppten sich denn auch als solche ..., da fielen auch wir in tiefste Lebenskrisen; statt zum Therapeuten gingen wir zum Arbeitsamt, ließen uns umschulen, hofften auf eine richtige Arbeit, wenigstens einen Job oder eine ABM.

Aber wer von uns hat schon ein Haus in Kalifornien ...

Geschweige denn ein Haus hier, von dem er sicher sein kann, daß es ihm auch für immer gehört.

Tja, liebe Jenny, mit deinem Wohlfühlbuch für Frauen ist das so eine Sache; du selbst sagst ja, daß frau einfach mal eine beliebige Seite deines Nachschlagwerkes wählen soll, immer wird sie interessante Beispiele finden, die sie umsetzen kann - stimmt!

Da empfiehlst du den Schweigetag ...

Ich weiß ja nicht, wie das in deinem großen weiten Amiland ist, ich jedenfalls habe kein Problem, mal einen ganzen Tag zu schweigen, wie du vorschlägst, denn wenn Mann und Kinder aus dem Haus sind, bleibt mir oft gar nichts anderes übrig ...

Hübsch ist auch die Idee, daß ich mich mit Hilfe einer Freundin in einen pränatalen Zustand versetzen soll - ich schreite über die auf dem Fußboden ausgelegten Seidentücher (bei mir wären es dann wohl eher Geschirrtücher, davon habe ich genügend), kuschle mich darin ein, meine Freundin schlägt dazu die Trommel, dummerweise wohne ich in einer Neubauwohnung ...

Wie komme ich nur zu einem Haus in Kalifornien?

Und wieder habe ich eine Seite einfach so aufgeschlagen - wie du es ausdrücklich wünschst - und etwas übers Wohlbefinden in der Badewanne gefunden; Badezusätze, die mich beruhigen oder beleben - je nachdem; Badespaß mit dem Partner - je nachdem; it's okay, Jennifer, da kann ich dir folgen; aber dann soll ich meine Wanne mit Murmeln füllen und Körperteile darin schwenken - da hat es mich fast vom Hocker gerissen, ich konnte mich vor Lachen kaum noch halten - aber damit habe ich wieder ein Kriterium des Wohlbehagens erfüllt - einmal am Tag so richtig lachen - löst zwar kein Problem, entspannt aber. (Wie groß sind eigentlich kalifornische Murmeln?)

Weil du aber auch an anderer Stelle übers Geld schreibst, das frau überhaupt nicht wichtig nehmen soll - kannst du dir vorstellen, was mich eine Wanne voll Murmeln kosten würde ...

Ja, hätte ich ein Haus in Kalifornien, vielleicht hätte ich ja auch das nötige Kleingeld für den Wannenspaß.

Nein, Jennifer, ich will dir nicht weh tun, ich finde dein Buch, und das meine ich ganz ehrlich, erbaulich und anregend, der eine oder andere Ratschlag läßt sich in abgewandelter Form ja durchaus auch bei uns umsetzen; ob es aber meinem Freund Frank mit seinem dicken Bierbauch und seiner ungelifteten, auch etwas fülligen Frau, beide um die Fünfzig, gefallen würde, ihr Abendbrot nicht wie gewöhnlich im Jogginganzug vor dem Fernseher zu verzehren, sondern sich nackend bei Kerzenschein gegenseitig Häppchen in den Mund zu schieben, wage ich dann doch zu bezweifeln. Wahrscheinlich habe ich ein anderes ästhetisches Empfinden.

Andererseits kann es natürlich sein, daß du, liebe Jennifer, auch nur die knackige, schon mit 18 Jahren schönheits-chirurgisch überarbeitete, frustrierte amerikanische Jung-Ehefrau gemeint hast, die möglicherweise auch ein Haus in Kalifornien hat.

Für alle LeserInnen: Auch wenn Sie kein Haus in Kalifornien haben, eher eine Plattenbau-Neubauwohnung oder eine Altbauwohnung mit Ofenheizung, und wenn Sie auch keinen Garten ihr eigen nennen können oder Ihr Wochenendgrundstück zur Disposition steht - lesen Sie Jennifer Loudens Wohlfühlbuch. Es gibt dann mehrere Möglichkeiten: Sie zweifeln noch mehr an Ihrem bisherigen Leben, denken über Perspektiven nach, lachen sich krank oder gesund, finden auch eine Marktlücke, die Sie zu Wohlstand bringt - wenn nicht, dann beherzigen Sie einfach Jennifers Vorschlag: laut schreien und mit dem Tennisschläger auf die Betten einschlagen ...


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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