Eine Rezension von Kathrin Bosien

Neues aus dem Land der Gartenzwerge

Roberto Giardina: Anleitung die Deutschen zu lieben
Aus dem Italienischen von Christiane v. Bechtolsheim
Argon Verlag, Berlin 1996, 237 S.

Dieses Buch kann in Deutschland kein Erfolg werden, das wußte Roberto Giardina schon vorher, da in Deutschland Sympathieerklärungen nicht sehr beliebt sind. Viel lieber suchten die Deutschen „krampfhaft und masochistisch nach der Bestätigung des Urteils über den häßlichen Deutschen ... fällt das Urteil positiv aus, wundern sie sich darüber. Wie bitte? Sie urteilen nicht schlecht über uns? Wie kommt das?“ Bei Giardina ist die Frage einfach beantwortet. Er arbeitete mehrere Jahre als Korrespondent in Deutschland und hatte wohl auch keinen besonderen Grund, sich seinem „Objekt“ voreingenommen zu nähern. So stellt er bekannten Wertungen über Deutsche und Deutschland seine eigenen Erfahrungen entgegen.

Die Deutschen sind ehrlich und korrekt? Dabei gibt es Schwarzarbeit und Steuerbetrug. Die Deutschen sind fleißig? Sie haben die kürzeste Arbeitszeit der Welt. Deutsche Produkte sind perfekt? Japanische Autos sind oft weniger störanfällig als deutsche. So folgert Roberto Giardina: „Die Deutschen sind weder besser noch schlechter als ihr Ruf. Sie sind einfach nur anders. Es gibt in Europa kein unbekannteres Volk.“ Man staune, so Giardina weiter, daß die Deutschen zutiefst pazifistisch seien und skrupulös auf Demokratie achten würden.

Zum Glück folgt diesen Erklärungen keine trockene Beschreibung. Locker und leicht plaudert Giardina über witzige, teils skurrile Episoden und zieht ganz eigene, oft pointierte Schlußfolgerungen. Beim Lachen über Giardinas Erlebnisse erkennt man oft Bekannte, Nachbarn, Freunde und leider Gottes auch manchmal, natürlich ganz selten, sich selbst wieder. So in der für einen Italiener offensichtlich nicht nachzuvollziehenden Empörung über die mangelnde Zuverlässigkeit von Nachrichten und Wetterbericht. Während des Erdbebens im Rheinland vor einigen Jahren rennt schreiend Giardinas deutsche Nachbarin auf die Treppe. „‚Was ist los?‘ fragte sie mich blaß. ‚Nur ein Erdbeben‘, beruhigte ich sie mit der Gelassenheit eines Bewohners Süditaliens. ‚Ein Erdbeben?‘ entrüstete sie sich. ‚Aber das wurde in den Nachrichten gar nicht angekündigt.‘“

Irgendwie nehmen die Deutschen in einer erschreckenden Art Regeln ernst, ob es im Straßenverkehr ist oder im Vorgarten. Und wehe dem, der sie nicht befolgt. „Auch Fußgänger müssen Ampeln beachten, aber sie werden auf andere Weise bestraft: Sobald die Autofahrer am Horizont jemanden erblicken, der es wagt, bei Rot die Straße zu überqueren, drücken sie mit einemmal aufs Gas, als wären sie Formel-1-Fahrer, denn sie sind sicher, daß sie straffrei ausgehen, falls sie den Fußgänger überfahren.“ Noch ärger gehe es nur im Vorgarten zu. „Deutschland ist friedlich, das muß ich immer wieder sagen. Der Angestellte mit Bauch und Pantoffeln jenseits der Hecke etwas weniger.“ In manchen Vierteln sei es verboten, Gras einfach wachsen zu lassen. Einem Gartenbesitzer, der es versäumt hatte, seinen Rasen zu mähen, wurde diese Arbeit ungefragt vom Nachbarn abgenommen.

Wen wundert's, daß sich Roberto Giardina ein von Deutschland beherrschtes Europa so vorstellt: „Ich sehe ein Europa, in dem die Deutschen ihre Zeit damit verbringen, den Nachbarn den Rasen zu mähen, sie verlieren den Verstand, weil sie den römischen Verkehr regeln, und machen Überstunden, um die Steuern der arbeitsscheuen Engländer zu bezahlen. Natürlich würden sie etwas dafür verlangen: Tausende von Gartenzwergen made in Germany würden den Bois de Boulogne oder den Park der Villa Borghese bevölkern.“


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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