Eine Rezension von Walter Unze

Geschäft und Politik

Eberhard Czichon: Die Bank und die Macht
Hermann Josef Abs, die Deutsche Bank und die Politik.
PapyRossa Verlag, Köln 1995, 518 S.

Selbst gute Bücher haben es schwer, wenn sie nach längerer Zeit umgeschrieben oder überarbeitet eine Wiedergeburt versuchen. Was kann man da von einer Schrift erwarten, die bereits bei ihrer Erstauflage umstritten war und recht gegensätzlich bewertet wurde? Natürlich ist man als Leser zuerst einmal neugierig. Immerhin hatte Czichons Arbeit von 1970 einen Prozeß verursacht, in dem Hermann Josef Abs und die Deutsche Bank gegen das Buch erfolgreich klagten. Nun sind prozessuale Auseinandersetzungen um das geschriebene Wort in Deutschland nichts Ungewöhnliches. Aber 1970 wurde der Prozeß in der Bundesrepublik Deutschland gegen das Buch eines Autors aus der DDR geführt; und das war tatsächlich selten. Wenn der Autor seinen damaligen Titel „Der Bankier und die Macht. Hermann Josef Abs in der deutschen Politik“ in „Die Bank und die Macht“ verwandelt, dann signalisiert er damit wohl auch eine Schwerpunktverlagerung: vom stark Biographischen hin zum stärker Institutionellen. Er wollte, so heißt es in seinem abschließenden Dank, „einen Diskussionsbeitrag zum 125. Jahrestag der Schaltereröffnung der Deutschen Bank schreiben“ (S. 429) und widmet das Buch zugleich dem 50. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus. Allerdings geht es Czichon nach eigener Aussage weniger um eine Bankgeschichte, sondern um das Ziel der Bankgeschäfte, letztlich um „das Problem der Interdependenz von Geschäft und Politik“. Allerdings bleibt Abs die bestimmende Figur, das biographische Beispiel für diese Zielsetzung des Autors.

Das reichhaltig belegte Material - allein die Anmerkungen umfassen knapp 80 Seiten - wird in vier größeren Kapiteln vorgeführt, die die Anfänge der Deutschen Bank (I. Der Anspruch einer Weltbank), den Einstieg von Abs (II. Hermann J. Abs - Die Karriere eines Jungbankiers), die Deutsche Bank im Zweiten Weltkrieg (III. Ordnende Bankgeschäfte) und die Nachkriegszeit (IV. Hermann J. Abs - der Gentleman) behandeln. Detaillierte Berichte über einzelne Bankgeschäfte wechseln mit Informationen aus dem Lebensweg des Hermann Abs, übergreifende und stark verallgemeinernde Definitionen werden von Vermutungen und subjektiven Deutungen abgelöst. So bestimmt der Autor - aus seiner Sicht wohl eindeutig und keiner Diskussion mehr zugänglich - den Kapitalismus, den Imperialismus („eine der Herrschaftsformen des Finanzkapitals“, S. 90), den Kalten Krieg; bei der Analyse der Persönlichkeit von Abs aber - und schließlich ist das ein zentrales Anliegen des Buches - wird es durchaus für konzeptionell legitim gehalten, persönlichkeitsbestimmende Aspekte zu vernachlässigen (so S. 218 f.). Hinzu kommt eine seltsame Art von Ironie, für die der Autor zwar um Verständnis bittet, weil er darin seine „bescheidene Möglichkeit gegen jene Macht“ versteht, der er sich gegenüber sieht (S. 429), die aber die Lektüre nicht nur erschwert, sondern auch m. E. den Inhalt verzerrt. Ein sachlicher Bericht, ohne abstrakte Verallgemeinerungen, die das Material nicht hergeben, ohne ironisierende Darstellung, die wohl „Parteilichkeit“ signalisieren soll und ohne unangemessene Bilder (wie z. B. „Abs war 35 Jahre alt, als er, der Katholik, den Dom erreichte, den er bereit war, demütig zu betreten. Er hatte bewiesen, daß er das Orgelspiel der Berliner Banker zu spielen verstand ...“ S. 135) hätte dem Ziel des Autors mehr gedient. Aber das wäre dann tatsächlich ein anderes, ein neues Buch geworden.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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