Eine Annotation von Klaus M. Fiedler
Messner, Reinhold:
Die Grenzen der Seele wirst du nicht finden
Herder Verlag, Freiburg im Breisgau 1996, 176 S.

Name: Reinhold Messner. Beruf: Abenteurer. Bekanntheitsgrad: enorm. Michael Albus hat sich mit dem Bergsteiger Reinhold Messner unterhalten und ein Buch vorgelegt, das von der Aufmachung her spartanisch schlicht, vom Inhalt her aber von beeindruckender Tiefe ist. Denn Albus interessiert sich weniger für die physischen Leistungen des die Extreme liebenden Messner, ihm geht es nicht um Ernährungsprobleme und technische Details bei der Vorbereitung neuer Expeditionen in einsame Bergwelten oder horizontweite Sandwüsten. Das Innere des Mannes interessiert ihn, seine Gedankenwelt; er begibt sich auf die Suche nach den Wurzeln dieses nimmermüden Strebens nach dem scheinbar Unerreichbaren, Unmenschlichen. Heraklits Wort von den Grenzen der Seele, die der Mensch nicht erreichen wird und das dem Büchlein den Titel gab, wird in dem Gesprächsprotokoll variiert. Messner gibt zu, daß er sich den Grenzen der menschlichen Leistungsfähigkeit im physischen und psychischen Sinne nähern will, und ihm sei in den Jahrzehnten seiner Wander- und Klettertouren bewußt geworden: „Die absolute Grenze kann ich nie erreichen.“ Und an anderer Stelle: „Es gibt Grenzen, aber wir werden sie nie erreichen. Vor allem nicht die Grenze des Machbaren.“ Zunächst scheint sich an diesen Worten ein Widerspruch aufzutun: Ausgerechnet der Mann, der die Grenzen der Belastbarkeit, des körperlich und auch seelisch Vertragbaren immer weiter gesteckt hat, der Mann, der als einziger alle Achtausender bestieg und dabei - auch als einziger - auf Sauerstoffmasken verzichtete - dieser Mann leugnet das No-limit-Prinzip? Doch Messner weiß wie kaum an anderer, wovon er spricht, wenn er die Kräfte und Möglichkeiten des Menschen als begrenzt und nicht als unerschöpflich begreift. Denn: „Hinter der Grenze ist das Große, das Erhabene, das Nichterkannte, das Nichtdurchschaute, das Nichterlebte.“

Als wichtigste Antriebskraft nennt Messner die Neugierde. Seine Selbsteinschätzung ist deutlich: „Ich bin ein neugieriger Mensch, nicht ganz seßhaft und getrieben von dieser romantischen Neugierde des Realutopisten.“ Er gibt aber auch zu: „Wenn ich bis zur letzten Konsequenz gefordert bin, bin ich am besten. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich mir so schwierige Ziele stecke.“

Was bedeutet ihm die Familie? Was Heimat? Welche Rolle spielte in seinem Leben die Natur? Wie lange erduldet die Umwelt noch den Menschen? Nachdenken über das Altern und das Alter und den Tod? Michael Albus führt seinen Gesprächspartner geschickt von einem Thema zum nächsten; und immer hat Reinhold Messner Hintergründiges, Wohldurchdachtes zu sagen. Auf seinen vielen Touren zu den Grenzgebieten unserer Erde hat er ein Weltbild entwickelt, das von Skepsis und Vertrauen gleichermaßen geprägt ist. Unaufdringlich wird es dem Leser nahegebracht, ohne ihn missionieren zu wollen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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