Eine Annotation von Bernd Heimberger
Grieshaber, HAP:
Malbriefe an Margarete
Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1996, 234 S.

Es war einmal. Studenten trommelten die Massen per Mikro- und Megaphon zur Revolution. Aber das Volk ging nicht hin. Auch HAP Grieshaber nicht. Er zeigte den Studenten, wie er sagte, „wer der Stratege ist“, als sie ihm bei der Gestaltung eines Wandbildes mit revolutionärem Rat dreinreden wollten. Immer der Stratege seines Kunstmachens, wurde der Holzschneider zu einer einzigartigen Erscheinung der europäischen Kunst. Margarete Hannsmann, die Gefährtin der letzten anderthalb Lebensjahrzehnte, sagt: „Grieshaber beherrschte das Einmaleins der Partisanen.“ Sie sagt auch: „Aus dem Prometheus von achtundsechzig wurde ein Don Quijote.“ Was Helmut-Prometheus-Quijote Margarete-Sancho Pansa antat, „Malbriefe“ genannt, taucht nun in einem der schönsten Bücher des Jahres und der Jahre auf. Solche Bücher sind selten.

Margarete Hannsmann hat Hand angelegt und das rosa oder blaue Bändchen aufgeschnürt, das die persönlichen Bilder-Briefe zusammenhielt. Was immer M. Hannsmann der Öffentlichkeit aus gut verständlichen Gründen vorenthält, die stattliche Auswahl, überwiegend Malbriefe aus den späten sechziger, frühen siebziger Jahren, macht die Geschichte einer Künstler-Freundschaft-Liebe öffentlich. Der ewige Stratege formt sich Sancho Pansa nicht nach seinem Bilde. Mit dem Respekt des gefühlvollen Gebildeten begünstigt er die Bildung der Margarete Hannsmann. Nichts ist ihm wichtiger gewesen als die Ebenbürtigkeit in der Beziehung. Obwohl sich die Schriftstellerin in der Partnerschaft als die Nehmende sieht, ist auch sie eine Gebende und Grieshaber der dankbar Empfangende.

In der Gesamtheit sind die „Malbriefe an Margarete“ nicht nur private Postillen. Sie sind entschlossene Reaktionen und Reflexionen auf die Außenwelt. Das erhielt den Texten die Frische. Unverblüht ist die ketzerische - oder strategische? - Bemerkung: „Nichts erniedrigt so sehr, wie wenn der Ruhm bei den Falschen liegt, bei Beuys z. B.“ Im gleichen Jahr, dem achtundsechziger, schreibt Grieshaber: „Die KPF zeigt neben der roten Fahne die Trikolore! Mon Dieu!“ Ach ja, mein Gott, noch ist nichts zum malerischen Teil der Briefe gesagt. Zum Schwung der Linien, der Formen, der Farben. Einen Schwung, den die Erotik dem Künstler versetzte. Darüber reden? Ansehen! Mit der Grieshaberischen Gewißheit: „Alle wahre Kultur ist unschuldig!“ Oh, Don Quijote! Der manchmal mit Kapitan Gris zeichnete.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
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