Eine Annotation von Anne Mann
Andert, Reinhold:
Vom Saul zum Paul
Anpassungs-Fortbildungslehrgang
auf freiwillig-demokratischer Grundlage.
Elefanten Press, Berlin 1996, 160 S.

Bei mancher Feststellung bleibt vielleicht doch das Lachen im Halse stecken - zu wahr sind die Wahrheiten, zu bitter die verabreichten Tropfen der Erkenntnis in der Politsatire von Reinhold Andert. Wie auch immer: Neben dem Kichern bringt das Büchlein etliche intelligente Kurzanalysen zur ehemaligen und jetzigen Lage, einige demagogisch eingefärbte Geschichtsdarstellungen sowie ein paar überlegenswerte Dialektikfallen. Der Autor bedient sich einer überaus beliebten und bewährten Methode im satirischen Fach: die Umkehr gemachter Erfahrungen und (ehmals) vertretener Überzeugungen. Inhalt und Machart des Parteilehrjahres (klingelklingeling - ja, die sogenannte Rotlichtbestrahlung) werden auf die neue Wirklichkeit übertragen. In 12 Kursen sollen aus Kommunisten gute Demokraten gemodelt werden. Nach erfolgreich abgeschlossener Anpassung wird den ehemaligen Kadern und Funktionsträgern des DDR-Unrechtsregimes Unbedenklichkeit bescheinigt - Karrieretürchen klemmen fürderhin nicht mehr, sondern stehen dem braven Manne einladend offen. Hereinspaziert. Doch ohne Fleiß ... usw. Beim Umdenken wird also mächtig geholzt und geschindert, den vorerst noch westlichen Seminarleitern ein Höchstmaß an missionarischer Geduld und christlicher Vergebung im Umgang mit den schwarzen (weil roten) Ostschafen abverlangt, bis das große Werk gelungen, eines Ossis Freund zu sein. Die Themen und ihre Behandlung werden in der von Andert beim Altbundesbürger vorausgesetzten historisch-politisch-philosophisch-rechtlichen Diktion gehalten - kein Klischee, keine heilige Kuh, kein Dogma wird ausgelassen. Die alte und die neue Ordnung genüßlich durch den Kakao gezogen. Eine amüsante, giftige Doppelb(l)ödigkeit.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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