Eine Annotation von Eberhard Fromm
Alte Synagoge (Hrsg.):
Hannah Arendt
„Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin ...“
Klartext Verlag, Essen 1995, 127 S.

Daß Ausstellungen einen Katalog besitzen, ist eine alte Tradition. Das Begleitbuch zur Ausstellung dagegen hat sich erst in jüngerer Zeit entwickelt. Es ist zumeist der Versuch, über die konkrete Ausstellung hinaus, Informationen zu vermitteln. Dabei gewinnen diese Begleitbücher - wie ja auch gute Kataloge - eine eigene Substanz und verschaffen sich neben der Ausstellung, für die sie gemacht wurden, ein eigenes Leben.

Ganz in diesem Sinne kann man auch den Band 5 aus der Studienreihe der ALTEN SYNAGOGE lesen. Entstanden als Begleitbuch zur Ausstellung „Hannah Arendt. Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin ...“ in der ALTEN SYNAGOGE in Essen 1995, vermittelt die Publikation nicht nur einen Einblick in Inhalt und Aufbau der Ausstellung, sondern enthält interessante Informationen zu Hannah Arendt. Vor allem ist das den drei Beiträgen zu verdanken, die sich mit Leben und Werk der Wissenschaftlerin auseinandersetzen. Agnes Heller („Eine Frau in finsteren Zeiten“) unternimmt den Versuch, Arendts Arbeit „Vita activa“ als die „Geschichte eines kontinuierlichen Abstiegs vom Licht zur Dunkelheit“ zu lesen. (S. 15) Dabei konzentriert sie sich auf Arendts Umgang mit solchen Persönlichkeiten wie Rahel Varnhagen, Rosa Luxemburg und Disraeli als „Menschen in finsteren Zeiten“ (S. 21). Rolf Geißler behandelt „Hanna Arendt und die Dichtung“ und geht von der Behauptung aus, daß die Poesie „das Grundelement ihres Denkens“ (S. 25) gewesen sei. Edna Brocke schließlich („Treue als Zeichen der Wahrheit“) zeichnet nach Selbstzeugnissen den Weg Hannah Arendts als Jüdin nach. Dieser sehr faktenreiche Beitrag gibt interessante Einblicke, die in der Charakteristik gipfeln, die Hannah Arendt für Rahel Varnhagen gefunden hat: Sie sei Jüdin und Paria geblieben. „Nur weil sie an beidem festgehalten hat, hat sie einen Platz gefunden in der Geschichte der europäischen Menschheit.“ (S. 66)

Natürlich vermittelt das Begleitbuch auch einen Eindruck von den in der Ausstellung enthaltenen Bildern, Dokumenten und Textpassagen. Besonders lesenswert sind hier die „Nachworte“: Die Gestalter der Ausstellung hatten eine Vielzahl Persönlichkeiten gebeten, ihre Meinung zur Frage „Welche Bedeutung hat Hannah Arendt?“ in nicht mehr als zwei Sätzen aufzuschreiben. Von Johannes Rau bis Naomi Bubis, von Hans Saner bis Joachim Fest reichen die knappen Wertungen.

Natürlich muß ein Begleitbuch stichpunktartig bleiben, kann weder eine Biographie noch eine Werksanalyse ersetzen. Aber der gewählte Gesichtspunkt, nämlich die „Lebensgeschichte einer deutschen Jüdin“, ist mit Konsequenz durchgehalten und inhaltlich eingelöst worden.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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