Eine Rezension von Helmut Hirsch

Auf Chodowieckis Spuren

Wolfgang Plat: Die Reise nach Danzig.
Mit Daniel Chodowiecki durch Pommern.
Zeichnungen des Künstlers zur Danziger Reise, Fotos vom Verfasser.
Walter E. Keller, Verlag Treuchtlingen 1994, 132 S.

Dies ist ein Buch, das schwer zu ertragen ist. Wären da nicht einige passabel gedruckte Wiedergaben von Zeichnungen, die Daniel Chodowiecki während seiner Reise von Berlin nach Danzig (1773) angefertigt hat, läge dieses seltsame und eitle Produkt am besten unbeachtet in der Ecke. Der Autor, Historiker, Publizist und Dokumentarfilmer, frönt einer sehr verbreiteten Manie. 220 Jahre nach Chodowieckis Reise beschloß er, „den Spuren des Künstlers“ zu folgen: „Ein strahlender Stern der Aufklärung.“ Emphatisch hüpft Plat über weite Felder. Auch Günter Grass, hier der Stifter des Daniel-Chodowiecki-Preises, wird herbeizitiert: „Vielleicht könnte uns allen, den Polen und den Deutschen zuallererst, das Beispiel Daniel Chodowiecki behilflich sein. Der Zeichner und Kupferstecher war Pole und Preuße zugleich. Was Deutsche und Polen gerne beteuern zu sein, Chodowiecki war es: ein Europäer.“

Der Autor greift zu oft in Zauberkästchen, um historische oder zeitgeschichtliche Versatzstücke um Chodowieckis Reise zu binden, die nur Vorwand für die eigene Reise sind. Er scheint auch über das Werk des Künstlers nicht hinreichend informiert. Denn von den annähernd viertausend Zeichnungen ist nicht die Rede, obwohl ein „gewaltiges Werk“ überblickt wird. Und er nennt gar Chodowieckis Reise „eine einmalige Bildreportage“. So sind sie: die Journalisten. Es kommt aber noch viel schlimmer. Der Fotograf Plat setzt Ortsschilder wie Briefmarken neben Zeichnungen Chodowieckis, und gegenüber dem ganzseitig abgebildeten Abschiedsbild des Künstlers setzt er ein Foto von der Marx-Engels-Bronzegruppe in Berlins Mitte.

Mal lobt er Chodowiecki, der in Danzig „sehr fleißig“ war, dann fügt er ein Zitat der Johanna Schopenhauser ein, die sich des zeichnenden Gastes erinnert. Hauptsächlich aber gibt Wolfgang Plat seine Gespräche wieder, die er in Danzig mit Politikern, Künstlern, Unternehmern, Fischern und Pfarrern führte. Von Luftverschmutzung bis Solidarnosc, von den Kreuzrittern bis Adenauer (Plat: „Ja, das war ein Kreuzritter, der offensichtlich nach Ostland reiten wollte“!), die galoppierenden Streifzüge sind endlos und mit links-linkischen Attitüden aufgeputzt. Da ist der Blick auf „einen ordinären altbekannten Kapitalismus“ gerichtet, „als habe es soziale Errungenschaften nie gegeben“, und er glüht regelrecht, weil „in der Zeitung auf der ersten Seite ein Artikel über einen Hamburger Publizisten steht, der auf den Spuren von Daniel Chodowiecki wandelt“. Da hilft es auch nicht, wenn der europäische Gedanke (Einheit für alle) immer wieder mal zwischengeschaltet wird. Es bleibt auch bei nur kurzzeitiger Lektüre der fatale Eindruck, daß hier einer sehr dilettantisch und absichtsvoll die trefflichen Blicke des Zeichners Chodowiecki mit seiner eingetrübten Allerweltsoptik zu einem Bild zusammenmogeln wollte. Ich empfehle daher dringend: Chodowieckis Reise von Berlin nach Danzig, Tagebuch und Zeichnungen, erschienen in der Nicolaischen Verlagsbuchhandlung in Berlin, selbstredend ganz und gar ohne Plattitüden.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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