Von diesem Fachverlag ist man Publikationen gewöhnt, die nicht schon auf den ersten Blick Schwächen erkennen lassen. Das kleine Lexikon des Wirtschaftsrechts wird solcher Mindestanforderung kaum gerecht. Bereits im Vorwort des Verfassers liest man, er begrüße es sehr, wenn der Leser Kritiken und Änderungswünsche an mich herangetragen werden. Da regt sich der Verdacht, es könnte auch im folgenden Text hier und da ungenügend lektoriert und zuvor vom Autor mit der heißen Nadel genäht worden sein. Dies bewahrheitet sich beim näheren Hinsehen. Dem zitierten Wunsch entsprechend, sei also auf eine Reihe ebenso augenfälliger wie ergänzungsfähiger Unvollkommenheiten hingewiesen.
Ein Lexikon des Wirtschaftsrechts sollte sich auf das geltende fachspezifische Recht beschränken, das wahrlich mehr als umfangreich ist. Es wirkt daher deplaziert und wie Effekthascherei, wenn die alphabetisch aufgeführten und erklärten Begriffe mit einer Regel des römischen Rechts eingeleitet werden (Ab abusu ad usum non valet consequentia), deren aktueller Bezug weder erkennbar ist noch durch einen Hinweis begründet wird - einen solchen Bezug gibt es überhaupt nicht. Zudem ist die angebotene Übersetzung - Der Mißbrauch einer Rechtsstellung erlaubt keinen Schluß auf ein Gebrauchsrecht - unexakt: Die altrömischen Juristen wollten nämlich ohne jede Abschwächung betonen, daß durch Mißbrauch keinerlei begründet werden können. Darüber hinaus ist der Begriff Gebrauchsrecht mißverständlich, zumindest unüblich.
Beim Stichwort Devisen kommt die Erläuterung bemerkenswert volksfremd daher. Zwar wird zutreffend dargestellt, daß es sich um Forderungen in fremden Währungen handelt. Wenn der Autor aber belehrend hinzufügt, daß ausländische Barzahlungsmittel nicht von dem Begriff ‚Devisen‘ umfaßt werden, sondern Sorten heißen, hätte er doch einräumen sollen, daß dies im Sprachgebrauch ganz anders ist. Wer sagt denn schon zu einer Handvoll Dollar, das seien Sorten, keine Devisen!
Auch ein Lexikon, das Begriffe in möglichst konzentrierter Form zu erklären hat, sollte dem Benutzer ein Minimum an Hintergrundinformation bieten, sofern dies im Einzelfall erwartet werden kann. Das trifft auf Aktionärsstimmrecht und vor allem auf Depotstimmrecht sicherlich zu. Sie sind, was die rechtliche Ausgestaltung betrifft, durchaus umstritten, und Depotstimmrecht ist zu einem Reizwort geworden. Daran haben auch kosmetische Korrekturen des Aktienrechts nichts geändert. Es wäre angebracht gewesen, dies wenigstens anzudeuten. Tatsächlich führen die Banken in den Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften nach wie vor durch die Stimmen ihrer Depotkunden Abstimmungsergebnisse von 97 oder 99 Prozent zugunsten der Vorstände der AG herbei. Der Autor verweist jedoch lediglich auf das Aktiengesetz (§ 12 und § 135). Danach freilich ist alles in schönster Ordnung. Nur in der Praxis der Hauptversammlungen hat der Kleinaktionär nichts zu sagen.
Als irreführend und sprachlich unsauber erweisen sich die Ausführungen zum Stichwort Gegendarstellung. Der Verfasser behauptet fälschlich, daß ein Anspruch auf Gegendarstellung bestehe hinsichtlich jeder Presseveröffentlichung, in der zuungunsten des Betroffenen Ausführungen enthalten sind. Ein Blick in das jeweils auf Länderebene geregelte Presserecht ergibt, daß keineswegs jede Veröffentlichung mit Ausführungen zuungunsten eines Betroffenen einen Anspruch auf Gegendarstellung begründet. Der Autor hätte vielmehr klar sagen müssen, daß ein solcher Anspruch nur aus einer Tatsachenbehauptung abgeleitet werden darf, nicht jedoch aus einem Werturteil, um das es sich in der Praxis oft handelt. Die im Lexikon vorgenommene extensive Interpretation des Rechts auf Gegendarstellung in Medien ist contra legem.
Gegenseitiger Vertrag - auch diese Erläuterung läßt zu wünschen übrig. Einmal fehlt der essentielle Hinweis, daß der Rechtsbegriff in den §§ 320-327 BGB ausdrücklich geregelt ist. Zum anderen handelt es sich nicht darum, daß - wie es im Lexikon heißt - die Leistung eines Partners mit der Gegenleistung des anderen Partners korrespondiert. Diese verwaschene Formulierung trifft nicht den inhaltlichen Kern des Rechtsinstituts Gegenseitiger Vertrag. Es geht vielmehr darum, daß beide Leistungen voneinander abhängig sind, sich bedingen. Es muß Zug um Zug geleistet werden. Das heißt, der eine Partner kann seine Leistung verweigern (so ausdrücklich § 320, Abs. 1, BGB), bis die Leistung des anderen erfolgt.
Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Das Lexikon ist nachlässig redigiert, wie sich an zahlreichen Beispielen nachweisen läßt. Stereotyp beginnt nach dem jeweiligen Stichwort der erläuternde Text mit der überflüssigen Floskel Als solches bezeichnet man ..., Als ... bezeichnet man ... Wiederholt wird mit Verben unsauber umgegangen: ... Kredite, bei dem (statt bei denen) öffentlich-rechtliche Körperschaften selbst als Kreditnehmer auftreten oder Werbemaßnahmen, die an die ‚edlen Gefühle‘ des umworbenen Kunden ... appelliert (statt appellieren). Das Lexikon kann also hilfreich sein, wenn man es mit einem kritischen Blick benutzt. Übrigens bietet es außer vielen durchaus richtigen Erläuterungen auch die eine oder andere Erheiterung. So wird unter anderem dem Stichwort Leibgeding der Inhalt des Leibgedings erklärt. Da sind weniger fachbezogene Lexika (u. a. dtv-Lexikon, Band 10, S. 321) doch etwas genauer, indem sie das Dings richtig Leibgedinge nennen, wie es schon im Mitteldeutschen heißt. Auch an Stilblüten fehlt es nicht. Unter dem bereits erwähnten Stichwort Gegendarstellung lesen wir beispielsweise: Anspruchsinhaber ist der Betroffene, der durch die falsche Tatsache betroffen ist.