Eine Rezension von Kathrin Chod

Die braune Elite

Guido Knopp: Hitlers Helfer
C. Bertelsmann Verlag, München 1996, 352 S.

Kurt Pätzold/Manfred Weißbecker (Hrsg.): Stufen zum Galgen
Lebenswege vor den Nürnberger Urteilen.
Militzke Schulbuchverlag, Leipzig 1996, 480 S.

Ich bin's nicht, Adolf Hitler ist es gewesen, so lautet nicht nur der Titel eines Theaterstücks, sondern auch die Grundaussage der Männer, die nächst Hitler die Verantwortung im Dritten Reich trugen. Diese Legende konnte schon in den Nürnberger Prozessen aufgrund umfangreichen Beweismaterials zerrissen werden. Hitler benötigte nicht nur Vollstrecker, sondern auch Mitdenker und Mittäter. Neue Forschungen (Hans Mommsen) sehen Adolf Hitler zunehmend in diesem Zusammenhang, eben auch als Objekt der Politik. Die Motive, Antriebe und vor allem den Anteil der Männer neben und hinter Hitler zu ergründen an dem, was an Verbrechen in deutschem Namen geschah, ist daher unerläßlich. Somit erscheinen zwei Bücher zur rechten Zeit.

Beide knüpfen an den 50. Jahrestag der Urteilsverkündung im Nürnberger Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher an. Die Herausgeber beider Bücher legten vor Jahresfrist viel beachtete Biographien Hitlers vor: Guido Knopp mit Hitler. Eine Bilanz; Pätzold/Weißbecker mit Adolf Hitler. Eine politische Biographie. Aber hier scheinen die Gemeinsamkeiten schon aufzuhören, so erscheint die erste Publikation nach dem bewährten Motto „Das Buch zur Fernsehserie“ im größten Medienhaus Europas und die zweite in einem kleinen ostdeutschen Verlag. Besonders verwundert es, daß bis auf Hermann Göring keine der anderen Nazigrößen in beiden Büchern auftaucht. Knopp gibt für seine Auswahl der Männer hinter Hitler keine plausible Begründung. Er stellt Goebbels, Göring, Himmler, Heß, Speer und Dönitz unter den Schlagwörtern: Der Brandstifter, Der Zweite Mann, Der Vollstrecker usw. vor, als ob hiermit eine grundsätzliche Aufteilung der Funktionen im Machtgefüge vorgenommen werden kann und der Leser den Eindruck erhält, das sind sie nun und damit basta. Militärs, die den Krieg im Osten führten, fehlen völlig.

Bemerkenswert in jedem Fall die Fülle von Einschätzungen und Äußerungen, die Knopp von Leuten aus dem Umfeld der Porträtierten gesammelt hat. Schade, daß versäumt wurde, ein Quellenverzeichnis zu erstellen, so ist es nicht nachzuvollziehen, wann und wo etwas gesagt wurde. Ansonsten ist das Buch in bewährter Manier flott geschrieben und enthält im ausgedehnten Vorwort einen interessanten Exkurs zur Frage: Was wußten die Deutschen von der Judenvernichtung und wie standen sie dazu? Reichsberichte des Sicherheitsdienstes SD und eine repräsentative Meinungsumfrage zeigen erstaunliche Ergebnisse.

Kurt Pätzold und Manfred Weißbecker nehmen als Maßstab für ihre Auswahl das Todesurteil in besagten Nürnberger Prozessen. Das ist sicherlich legitim, hat aber den Nachteil, daß wichtige Protagonisten des Regimes fehlen, die mit ihrem Selbstmord einer Verurteilung zuvorkamen (Goebbels, Himmler, Ley) oder aufgrund fehlender Dokumente und kluger Verteidigung dem Todesurteil entgingen (Speer).

Bei den 11 zum Tode verurteilten Politikern und Militärs trafen die Autoren nicht nur auf eine höchst unterschiedliche Quellenlage. Auch wurden einige der hier Porträtierten bisher nur wenig von den Historikern beachtet. Das Ergebnis, was hier von sechs deutschen und amerikanischen Historikern vorgelegt wird, ist vor diesem Hintergrund bemerkenswert. Besonders hervorzuheben die Studie zu Fritz Sauckel von Weißbecker. Eine derartig umfangreiche wie auch tiefgründige Biographie des thüringischen Gauleiters liegt derzeit noch nicht vor. Erhellend für das Funktionieren des nationalsozialistischen Systems sind insbesondere die Kapitel, in denen es nicht nur gelingt, den persönlichen Anteil herauszuarbeiten, sondern auch Beweggründe, unterschiedliche Haltungen und Auseinandersetzungen der Paladine deutlich zu machen, wie dies u. a. über Göring und Rosenberg beispielhaft gelingt.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/97 (c) Edition Luisenstadt, 1997
www.berliner-lesezeichen.de

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