Eine Annotation von Bernd Heimberger
Kollek, Teddy:
Jerusalem und Ich
Deutsch von Vera Loos, Naomi Nir-Bleimling.
S. Fischer Verlag: Frankfurt/M. 1995, 428 Seiten

Jerusalem ist nicht irgendeine Stadt der Welt. Jerusalem ist eine Stadt religiöser und politischer Welten. Jerusalem ist eine Weltstadt. 28 Jahre (1965-1993) war Teddy Kollek ihr Oberhaupt. Die Welt kennt den Namen des 1911 in Wien Geborenen. „Kein Wort kann ausradieren was ich, gemeinsam mit anderen Menschen, Jerusalem gegeben habe.“ So stellt sich der Mann den Kritikern. So steht er zu seinen Freunden. So drückt er Selbstbewußtsein und Gemeinsinn aus. Für die Welten und die Welt war Jahrzehnte Teddy Kollek Jerusalem und Jerusalem Teddy Kollek. Wie die bereits vor fünf Jahren veröffentlichte Autobiographie Ein Leben für Jerusalem ist das Ergänzungsbuch Jerusalem und Ich die Chronik der praktizierten Identifizierung einer Person mit einer Stadt. Mit seinem Temperament hat Teddy Kollek temperamentvoll auf die Traditionsstadt reagiert. Er hat die überlieferte Architektur, Kultur, Toleranz Jerusalems bewahrt und gefestigt und so der Zukunft zugeführt. Er hat Möglichkeiten der modernen Welt in die Stadt integriert. Aus Überzeugung, mit den Mitteln und Talenten eines Menschen, der überzeugen wollte und konnte. Nicht mit der Kompetenz, gar der Gesetzesgewalt des ersten Bürgers der Stadt. Dutzende Male ist in den Texten zu lesen, wie wenig die Position des Bürgermeisters etwas galt, wenn Bürger und Beamte auf ihre Gesetzesrechte pochen. Die Kunst des Stadtregenten Kollek war es, sowohl kompromißlos wie kompromißbereit zu sein. War es, die Gegensätze der jüdischen wie arabischen Stadt zu lieben und sie zu leben. War es, im Verständigen Verstehen zu ermöglichen. Immer zugunsten der Heiligen Stadt, die keine Heilige war und ist, in der sämtliche Probleme problematischer sind. Von der Armut bis zum Verbrechen. Kollek spricht in den Texten, an deren Zusammenstellung der Journalist Dov Goldstein maßgeblich beteiligt war, oft von der hervorragenden Zusammenarbeit mit hervorragenden Menschen. Der Eindruck entsteht, als hätte sich in den letzten Jahrzehnten alles Hervorragende in Israel und Jerusalem konzentriert. Ernstgemeint, würde sich Kollek eine solche Ausdeutung verbitten. Ganz gewiß nicht, daß sein Wille und seine Willenskraft hervorragende Erfolge garantierten. Berliner Beamten aller Ämter ist Jerusalem und Ich als bestes Berater-Buch zu empfehlen. Das macht Feuer unterm Hintern. Also sprach Teddy Kollek. Und gab Rat.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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