Eine Annotation von Helmut Eikermann
Geibler, H. von (Hrsg.):
Pommersches Kochbuch
Mit 631 selbst erprobten Rezepten.
Achte vermehrte und verbesserte Auflage.
Prangesche Buchhandlung und Verlagsanstalt,
Kolberg i. Pom. 1925, Photomechanischer Nachdruck
Hinstorff Verlag, Rostock 1995, 256 S.

Mit der Renaissance der Länder und Regionen im Osten Deutschlands ist auch das Interesse an den regionalen Volksbräuchen neu erwacht, und dazu gehört allemal die Kochkunst, wobei die pommersche sich mehr durch Deftigkeit als durch besondere Finesse auszeichnet. So enthält das Geiblersche Kochbuch von 1925 überwiegend Rezepte solider Hausmannskost, davon alleine 200 für süße „Kompotts“, Kuchen, Mehlspeisen und Getränke. Kapitelüberschriften wie „Vom Pökeln, Räuchern, Wurstmachen“ oder „Vogelwild in Büchsen“sowie die subtilen Mengenangaben (Hamburger Rauchfleisch: „Auf ein Stück von etwa 20 Pfund tut man einen Eßlöffel voll Bullrichsalz hinein ...“) lassen vermuten, daß es sich bei Geiblers Sammlung selbsterprobter Rezepte eher um ein Kochbuch für den pommerschen Gutshof als um eins für den Normalhaushalt handelt: „Auf einen Ochsen rechnet man 230 Gramm Salpeter mit 20 Liter Salz gemischt.“ Andererseits fehlen einfache Speisen keineswegs, zu Fleischklößen beispielsweise benötigt man nur „für 3 Pfennig in Wasser geweichte Semmel“, und wer Biersuppe mit Brot und Hering mag, wird ebenfalls fündig. Gipfel der Raffinesse dürften die Lachsgerichte, „gefüllte Krebsnasen“ oder ein Kompott namens „Belle-Alliance“ sein, ergänzt durch verlorengegangene Genüsse wie Schwarzsauer, Gekröse oder Polnischer Hase, der in Berlin über den „falschen Hasen“ zum ordinären Hackbraten mutierte.

Gesund ist die pommersche Küche nur bedingt, der Vitamingehalt hält sich durch langes Kochen (Spargel 1 Stunde, Weißkohl 2 bis 2 1/2) in Grenzen und wird durch reichliche Fettzugaben (auf ein Pfund Sauerkohl etwa 100 Gramm Schmalz) ausgeglichen. Daß man eine Trappe mit Papierschnitzeln füllt, liest man mit dem gleichen Erstaunen, mit dem man die Zubereitung des „Wilden Schweinkopfes“ zur Kenntnis nimmt: „Der Kopf muß am Genick, so weit als möglich nach dem Ziemer zu, ausgeschnitten werden. Dann schickt man ihn in die Schmiede (!) und läßt die Borsten abbrennen, wodurch er die nötige Schwärze bekommt ...“

Wer sich gerne an die nahrhafte Kochkunst seiner Großmutter erinnert und überdies noch ein „Rezept zum Stubenbohnern“ braucht, ist mit diesem Buch bestens bedient. Alleine das Backen eines Baumkuchens nach der angegebenen Vorschrift kann sich leicht zu einem unterhaltsamen Familienvergnügen auswachsen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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