Eine Annotation von Horst Wagner
Dawkins, Richard:
Und es entsprang ein Fluß in Eden
Das Uhrwerk der Evolution.
Aus dem Englischen von Lalla Ward,
Zeichnungen von Sebastian Vogel.
C. Bertelsmann Verlag, München 1996, 190 S.

Fachleute der Genetik werden in diesem Buch wahrscheinlich wenig Neues finden. Sie werden sich bestenfalls an der anschaulichen Sprache freuen und den Autor darum beneiden (oder ihn vielleicht auch der Vereinfachung zichtigen). Für einen biologischen Laien wie mich, der die Lehre von der DNS, diesem Träger der genetischen Information, bisher für ein kaum zugängliches Gebiet gehalten hat, erschließt der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, Lehrstuhlinhaber in Oxford, aber gleichsam eine neue Welt. Aus dem Bibelwort vom Strom, der von Eden ausging, „den Garten zu bewässern“, leitet Dawkins den Titel seines Buches ab und versteht darunter einen „Fluß von DNA, der durch die geologischen Zeiträume fließt und sich verzweigt“ (S. 10), einen „Strom der Informationen, ... der abstrakten Anweisungen für den Aufbau von Körpern“(S. 17). Der Reiz des in der Reihe „Science Masters“ erschienenen Buches besteht für mich nicht nur in der äußerst populären, durch überraschende Ableitungen immer neu verblüffenden Darstellungsweise, welche der Rezensent der „New York Times“ als „die Art wissenschaftlichen Schreibens“ charakterisierte, „die den Leser dazu bringt, sich selbst als Genie zu fühlen“. Noch reizvoller finde ich, wie Dawkins einerseits jede - wie er es nennt - „mystische, vernebelte Sicht des Lebens“ (S. 32) zerstört, das Leben auf „Bytes und Bytes und Bytes digitaler Informationen“ (S. 31) reduziert und gleichzeitig ein sehr poetisches, vielschichtiges Bild der von den DNS-Informationen vorangetriebenen Evolution zeichnet. Das gilt für die Beschreibung des Wesens der DNS, des Wechselverhältnisses von Vererbung und natürlicher Auslese durch vorgefundene Umweltbedingungen als seinem „eigentlichen“ Thema ebenso wie für die gleichsam nebenbei erzählten Geschichten von den ersten Menschen, von Orchideen, Bienen, Schmetterlingen und Termiten oder seine reizvoll-verblüffende Erklärung digitaler Telekommunikation: „Wenn eine Frau am Telefon mit ihrem Geliebten flüstert, läuft jede Nuance, jedes Stocken der Stimme, jedes leidenschaftliche Seufzen und jede sehnsüchtige Klangfärbung ausschließlich in Form von Zahlen durch die Leitung.“ (S. 26) Man muß sich nach der Lektüre dieses Buches ja nicht gleich selbst als Genie fühlen, die Methode des Autors würde ich aber gern als genial bezeichnen. Und es dürfte sich lohnen, auch die beiden anderen in Deutsch erschienenen Bücher Dawkins Der blinde Uhrmacher und Das egoistische Gen zu lesen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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