Eine Annotation von Gottfried Hausmann.
Meyer-Kronthaler, Jürgen:
Berlins U-Bahnhöfe
Die ersten hundert Jahre.
be.bra Verlag, Berlin 1995, 326 S.

Vor genau hundert Jahren, im September 1896, wurde in Berlin mit dem Bau jenes Verkehrssystems begonnen, das von Anfang an bis heute vielen Pendlern und Touristen ein unverzichtbares Beförderungsmittel war und ist. Als 1902 der erste Zug zwischen Warschauer Brücke und Knie (heute Ernst-Reuter-Platz) den Fahrbetrieb eröffnete, mit einem Abzweig zum Potsdamer Platz am Gleisdreieck, begann der nur durch Kriege, Teilung und Geldknappheit gebremste Aufstieg der U-Bahn zum interessantesten Personennahverkehrssystem der deutschen Hauptstadt mit inzwischen 10 Linien auf 147 Kilometern Streckenführung und 168 Stationen. Die letzteren sind es vor allem, die den täglich 1,4 Millionen Fahrgästen hundert Jahre Berlingeschichte pur bieten. Muse dazu haben diese vor allem, wenn sie gezwungenermaßen auf dem Bahnsteig verweilen, um auf die nächste Bahn zu warten, oder von einem bequemen Sitz- oder Stehplatz aus, die Bahnhöfe mal unter, mal über der Erde, wahrnehmen. Der aufmerksame Fahrgast bemerkt dann: Jeder Bahnhof hat sein individuelles Gesicht und seine Geschichte. Wird er dann noch neugierig darauf, darüber mehr zu wissen, sei ihm wärmstens der beim be.bra Verlag erschienene Bild-Text- Band über Berlins U-Bahnhöfe empfohlen. Hoher Informationswert verbindet sich mit einem ästhetischen Genuß, beides überhaupt kennzeichnend für die berlingeschichtlichen Publikationen des noch jungen Verlages. Vorgestellt werden hier nicht nur alle existierenden Bahnhöfe und ihre Namen (einschließlich vorgenommener Umbennenungen, „sondern auch die geplanten, verlegten, stillgelegten, zerstörten oder nie in Betrieb genommenen“ Stationen. Alphabetisch geordnet, werden die U-Bahnhöfe mit einem Bild und einer kurzen Geschichte vorgestellt. Der Vorzug dieser Geschichten ist, daß sie uns über die Namenserläuterung hinaus viel Unterschiedliches zur Linienführung, zum Bahnhofsbauwerk, zur Umgebung des Bahnhofs und, wo dies erwähnenswert ist, zu damit verbundenen historischen Ereignissen mitteilen. Die Abbildungen reduzieren sich nicht auf zeitgenössische Fotos über die U-Bahnhöfe, sondern bieten mit unterschiedlichsten Sichten auf die Stadt und die U-Bahngeschichte eine bemerkenswerte Dokumentation. So erweisen sich die Texte und Bilder zugleich als Mosaiksteine zu einer höchst unterhaltsamen und informativen Geschichte der Berliner U-Bahn. Beigefügt ist jedem heute noch genutzten Bahnhof eine kleine Statistik, die Auskunft gibt über den Architekten, über das Profil der Bahnlinie (womit nicht die Spurweite gemeint ist - die beträgt einheitlich 1 435 mm -, sondern die Breite 2 300 mm und 2 650 mm der Wagenkästen), Länge und Breite des Bahnhofs und des Bahnsteiges, bei den unterirdischen Bahnhöfen Meterangabe unter der Straße, die Linienbezeichnung, die Entfernungsangabe zur jeweils nächsten Station in beiden Richtungen. Auch dies genug Gründe, jedem Nutzer der U-Bahn „Die ersten hundert Jahre“ zur Belehrung und Orientierung zu empfehlen. Eine nächste Auflage sollte unbedingt um eine Sammlung historischer Streckenpläne ergänzt werden.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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