Eine Annotation von Gudrun Schmidt
Hervé, Florence/Steinmann, Elly/
Wurms, Renate (Hrsg.):

Das Weiberlexikon
Unter Mitarbeit von Ingeborg Nödinger.
PapyRossa Verlag, Köln 1995, 4. verb. Auflage, 527 S.

„Abenteuerin“ - mit diesem Stichwort beginnt das Weiberlexikon. Und ein „außergewöhnliches Geschehnis“, ein „gewagtes Unternehmen“ ist es sicher auch, ein solches Kompendium zusammenzustellen. Wohltuend die Sachlichkeit, mit der die Autorinnen, allesamt seit Jahren in der Frauenbewegung aktiv, ans Werk gegangen sind. Den Schwerpunkt der Auswahl bilden Themen aus dem Lebensalltag der Frauen in Vergangenheit und Gegenwart. Es ist ein Versuch, Rollenklischees aufzubrechen, Leistungen der Frauen in Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft darzustellen, die in einschlägigen Lexika wie in der Wirklichkeit unterrepräsentiert sind. War's Weiberlist oder -klugheit, das Thema Männerbewegung dem anderen Geschlecht zu übertragen? Jürgen Dörr hat diesen Part übernommen.

Von Amazonen, Friedensbewegung, Gentechnologie über Karriere, Kindergeld, Solidarität, Utopie, Tugend, wilde Ehe, Wochenbett bis Zyklus - es gibt die kurze lexikalische Erklärung ebenso wie die ausführliche, analytische Betrachtung einzelner Gebiete. Aufschlußreich und von aktuellem Interesse sind dabei Abhandlungen zu Themen wie Arbeit, Armut, Erwerbstätigkeit, Rente, die in der gegenwärtigen Situation vielen Frauen und Männern unter den Nägeln brennen. Vielfach verweisen weiterführende Literaturtips auf zusätzliche Informationsquellen.

Wer das Lexikon für eine schnelle Auskunft zur Hand nimmt, kann leicht dazu verführt werden, länger zu verweilen. Das ist zum einen der Vielzahl von Fotos, Reproduktionen, Dokumenten geschuldet, die oftmals weit mehr als eine zusätzliche Illustration des jeweiligen Stichwortes bieten. Ein Lesevergnügen eigener Art die kuriosen, witzig-hintergründigen, erhellenden Anmerkungen und Zitate im Kontext zum jeweiligen Stichwort. Originalton Norbert Blüm zur Hausarbeit: „Ich kann nicht finden, daß der Beruf der Hausfrau einfältiger ist und langweiliger ist, als beispielsweise der Beruf eines Politikers.“ Aufschlußreich auch wie Staatskommissar a.D. Dr. Michael Horlacher über Abgeordnete befand: „Als Einzelne wirkt die Frau wie eine Blume im Parlament, aber in der Masse wie Unkraut“. Und alles andere als ein Witz ist die Feststellung, daß nach mehr als 70 Jahren Habilitationsrecht für Frauen noch immer 95 Prozent der Professuren mit Männern besetzt sind.

Ein Abenteuer, ein mutiges Unternehmen bleibt es sicher noch lange, sich Gleichberechtigung zu erstreiten.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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