Eine Rezension von Manfred Lemaire

Eine besondere Art von Gesellschaftsspiel . . .

Marianne Schwan: Steuertricks für Frauen, die Lohn- und
Einkommensteuer sparen wollen
Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 1995, 350 S.

Wie schön, daß dergleichen Bücher steuerlich voll absetzbar sind. Wie unschön, daß man - sofern die Steuererklärung Eigenbau werden soll - Jahr für Jahr ein neues Ratgeber-Buch braucht, weil die obersten Finanzbeamten Jahr für Jahr die Bestimmungen novellieren. Dies wiederum ist schön für die Daseinsberechtigung jener Beamten ebenso wie für Steuerberater und AutorInnen von Ratgeberbüchern.

„Das Steuerrecht und insbesondere das Einkommensteuerrecht ist chaotisch, widersprüchlich und für die meisten undurchschaubar. Auch Fachleute stöhnen über die vielen kleinkarierten Regelungen und die kaum noch zu bewältigenden jährlichen Änderungen.“ So Marianne Schwan in ihrem Buch, gewidmet den Steuerzahlerinnen und der 1996 fällig gewesenen Steuererklärung für 1995. Es ist seit Juni '96 partiell bereits Makulatur, weil die Erklärungsfrist (für Einkommensteuer) am 31. Mai 1996 endete und weil 1997 keineswegs alle Ratschläge mehr stimmen werden, die 1996 für die Steuererklärung 1995 gestimmt haben. So (gewollt?) verwirrend sind die finanzpolitischen Bräuche.

Die Autorin ist eine von etwa 12 000 selbständigen Steuerberaterinnen mit eigener Praxis in Deutschland und betreibt dieses Geschäft seit 1981. Außerdem ist sie Sprecherin, also Vorsteherin, des Verbandes der Steuerexpertinnen, den sie 1994 mitbegründet hat. Das sachkundig und verständlich geschriebene Buch zeichnet sich auch durch Übersichtlichkeit aus. Tabellen und Stichwortverzeichnis sind ebenso hilfreich wie die Informationen über Gesetzesänderungen gegenüber dem Vorjahr und die im laufenden Jahr zu erwartenden Änderungen. Marianne Schwan stellt dazu fest: „Einige der im Jahressteuergesetz 1996 enthaltenen Bestimmungen sind so unklar, daß vermutlich erst in einigen Jahren die Gerichte den Weg weisen werden.“ Wenn dies schon eine gelernte Steuerberaterin meint, muß der Laie wohl gänzlich verzweifeln.

Insgesamt lassen die Erläuterungen der - vergänglichen - Rechtslage und verschiedene kritische Anmerkungen der Autorin erkennen, welch bürokratisches Monster das von Jahr zu Jahr verschlimmerte bundesdeutsche Steuersystem ist. Es gilt als eines der Paradebeispiele dafür, daß dem gesamten heutigen Rechtssystem der Bundesrepublik der Anspruch auf Volksnähe, wenn er denn je erhoben worden wäre, absolut abzusprechen ist; es entfernt sich von Jahr zu Jahr weiter von der klassischen altrömischen Maxime, daß ein Gesetz kurz, überschaubar sein muß, damit es von den Unkundigen um so leichter eingehalten werden kann (lat.: Legem brevem esse oportet, quo facilius ab imperitis teneatur). Speziell macht der gängige, auch in diesem Buchtitel verwendete Begriff „Steuertricks“ deutlich, wohin der angeblich sakrosankte Rechtsstaat zumindest auf dem hier behandelten Gebiet gekommen ist - das Gesetz wird ausgetrickst. Dies ist alljährlich eine besondere Art von Gesellschaftsspiel, und gewonnen hat, wer bei einem Maximum an Einnahmen die wenigsten oder überhaupt keine Steuern zahlt. Aus verschiedenen Gründen aber widmen, wie Marianne Schwan feststellt, „Frauen sich der Steuertrickserei nicht in der Weise wie Männer“, obwohl sie „für durchschnittlich viel niedrigere Einkommen in der Regel viel zu viel Steuern“ zahlen. Das von der Autorin zu erwartende Buch mit den Tricks für die Steuererklärung '97 hat allein daher seine Berechtigung.

Dieses nun, das vorliegende, ist ein gelungener Erstling. Bisher gab es keinen jährlichen Steuerratgeber speziell für Frauen. Gewiß, die Bestimmungen für die Lohn- und Einkommensteuer sind gewissermaßen geschlechtsneutral, es gibt keine von der allgemeinen Regel abweichenden Vorschriften für Frauen. In der Praxis jedoch ergeben sich bemerkenswerte Unterschiede, wie die Autorin an Beispielen feststellt. Das heißt, „wir finden überall da, wo viele Männer, vor allem gut verdienende Männer, betroffen sind, zumeist sehr großzügige steuerliche Regelungen, und überall da, wo viele Frauen betroffen sind, finden wir gar keine oder nur sehr kleinliche steuerliche Regelungen“. Tatsächlich ist das Steuerrecht im wesentlichen von Männern für Männer gemacht. Dies galt bisher auch für die Ratgeber.

Die Machart dieser Handreichung nun weicht von herkömmlichen Publikationen ab, durchaus zum Vorteil des Ratsuchenden. Statt Trick an Trick, Ratschlag an Ratschlag zu reihen, wird auf angenehme Weise didaktisch vorgegangen. Das geschieht nicht nur durch Alltags-Beispiele, die einen Sachverhalt zusätzlich erläutern, sondern auch durch gründliches Beschreiben des Vorgehens zwecks Steuersparens. Die dargestellten vier bisher möglichen Methoden beim Nutzen eines Firmenwagens treffen zwar nicht für die Mehrzahl der berufstätigen Frauen zu, aber sind ein besonders gelungenes Beispiel. Dabei wird auch der Hinweis nicht versäumt, daß 1997 (für 1996) nur noch eine Berechnungsmethode zugelassen ist.

Das Buch ist nicht nur frauenfreundlich, was den Zugriff von Männern zu diversen Ratschlägen keineswegs ausschließt, sondern auch auf spezielle Weise ehrlich. Im Gegensatz zu vergleichbaren Veröffentlichungen, die keine Angaben über Gebühren einer Steuerberatung machen (selbstverständlich ist diese Zurückhaltung keineswegs unehrlich), informiert Marianne Schwan über den jeweiligen Gebührenrahmen für Beratungsstunde und komplette Einkommensteuererklärung, läßt auch die Möglichkeit erkennen, die durchaus gestaltungsfähige Gebühr im voraus moderat zu vereinbaren.

Offenheit in einem delikaten Punkt gehört sich für einen frauspezifischen Ratgeber (obwohl dieser intime Bereich ja keineswegs eine feminine Domäne ist): Unter „Einkünfte als Hure“ wird kundgetan, daß auch eine Prostituierte für ihre Einnahmen aus „gewerbsmäßiger Unzucht“ - so die staubige amtliche Bezeichnung - Steuern zahlen muß wie jeder „anständige“ Unternehmer, natürlich abzüglich der dazugehörigen anzüglichen Betriebsausgaben. Der zu diesem Stichwort vermittelte Tip nennt insbesondere die Kosten für Berufskleidung, Arbeitsmittel, Bewirtungen, Arbeitsraum und Firmenwagen. Es ist sicherlich reiner Zufall, daß Hurenlohn und Abgeordnetenbezüge unter „Andere sonstige Einkünfte“ als einzige Beispiele traut beieinander stehen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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