Eine Rezension von Peter Henow

Steine: nützlich, wertvoll, schön

Günther Mehling (Hrsg.): Naturstein-Lexikon
Georg D.W. Callwey, München 1993, 4. Aufl., 668 S.

Lexika und Nachschlagewerke verschiedenster Art haben längst einen festen Platz im vielfältigen Buchangebot.

Dabei stellen die Nachschlagewerke selbst eine immer größer werdende Angebotsvielfalt dar: von Universallexika über fachspezifische Nachschlagewerke bis zu Handbüchern und Ratgebern aller Art. Interessant dabei: Neben Lexika mit einer bereits über Jahrhunderte währenden Tradition treten neue Nachschlagewerke mit einer immer weiterreichenden Spezialisierung.

Auch das Naturstein-Lexikon hat eine noch relativ junge Geschichte. Das erste deutsche Lexikon zu diesem Fachgebiet erschien 1973. Dabei scheint mir auch die Vorgeschichte - oder besser die Entstehungsgeschichte - dieses Lexikons interessant. Die Idee zu diesem Werk geht zurück auf das in den Jahren 1951-1955 in der Zeitschrift „Steinmetz und Steinbildhauer“ - jetzt „STEIN“ - veröffentlichte und von Annemarie Albert und Prof. Gustav Albert bearbeitete Steinerne ABC. Was andere Branchen längst besaßen, darüber verfügt also seitdem auch die Natursteinindustrie, die natursteinverarbeitenden Betriebe, die Steinmetze, Bildhauer und Architekten, ja alle am und mit dem Bau beschäftigten Fachleute: ein Nachschlagewerk, das auf die im Bereich des Natursteins auftauchenden Fragen eine zuverlässige Antwort gibt. Mit dem vorliegenden Lexikon erscheint ein Kompendium, in dem alles erfaßt ist, was über Art und Entstehung, Gewinnung, Bearbeitung und Verarbeitung, Verwendung und Nutzung gefragt werden kann. „Das beginnt“, so der Herausgeber Günther Mehling, „mit den Benennungen der einzelnen Natursteinarten bzw. -sorten, deren traditionelle oder kommerzielle Namen häufig nichts über Herkunft und Verwendungsmöglichkeiten aussagen. Hier werden den Handelsnamen die gesteinskundlich richtigen Bezeichnungen gegenübergestellt und manch weitverbreiteter Irrtum korrigiert.“

Das Naturstein-Lexikon enthält aber auch Informationen über die Verwendung des edlen und wertvollen Materials Naturstein in der Bau- und Kunstgeschichte von der Antike bis zur Gegenwart. Hinzu kommen die technischen und sachbezogenen Stichworte. Sie werden unterstützt durch eine Fülle von Abbildungen, Skizzen, Graphiken und Tabellen. Wichtig: Das Lexikon ist nicht nur für den Spezialisten von Interesse. Auch für den Liebhaber und Sammler schöner Steine und faszinierender Mineralien ist das Buch von besonderem Wert und Nutzen.

Die jetzt vorliegende 4. Auflage zeichnet aus, daß ca. 500 neue Stichwörter aufgenommen wurden. Die völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage des Naturstein-Lexikons umfaß damit um die 5000 Sach- und Fachbegriffe. Die neuen Stichwörter bezeichnen eine Vielzahl von Gesteins- und Mineralvorkommen, die inzwischen untersucht, klassifiziert und auf ihre praktische Verwendbarkeit hin geprüft wurden. Wir erfahren, daß diese Materialien jetzt verstärkt auf den Natursteinmarkt drängen. Der Herausgeber schätzt ein: „Die Ursprungsländer, sehr oft Indien, Brasilien, Cuba, Afrika, Rußland usw., brauchen diesen Absatz dringend zur Unterstützung ihrer heimischen Wirtschaft - auch eine Entwicklungshilfe, die vernünftig ist, weil sie Hilfe durch Selbsthilfe bewirkt.“

Die Neuauflage stellt außerdem die in den neuen Bundesländern vorhandenen Natursteinvorkommen besonders heraus. Auch die für das Gewerbe, die Natursteinwirtschaft, wichtigen lokalen Organisationen, Behörden und Institutionen wurden aufgenommen. Schließlich sind die jetzt in ganz Deutschland geltenden DIN-Vorschriften nach ihrem aktuellen Stand aufgelistet.

Das Literaturverzeichnis wurde erheblich erweitert. Eingang gefunden haben auch Begriffe aus den Bereichen EDV, Computer usw., „weil es bei dem Naturstein-Lexikon der vorliegenden Art nicht um eines der schon zahlreich vorhandenen Mineralien- und Gesteinssammler-Bücher handelt, sondern um ein Handbuch für den Praktiker des Handwerks, die Naturstein verarbeitende Industrie, den Baumeister und Architekten, den Restaurator im Dienste der Restaurierung alter Kunstwerke und Bauten“.

Der Wert des Buches liegt für mich in der Gegenüberstellung von gesteinskundlich richtigen Bezeichnungen und eingebürgerten oder kommerziellen Namen, die oftmals irreführend sind und „verkaufsfördernd“ wirken sollen. Besonderes Interesse verdienen auch die Auskünfte des Lexikons über die Verwendung des Materials Naturstein in der Bau- und Kunstgeschichte sowie über ausgebeutete Vorkommen. Eine interessante Frage, bei deren Lösung das Lexikon dienlich sein kann, ist beispielsweise, welche Steine wurden an historisch bedeutsamen Gebäuden in Berlin verbaut und aus welchen Steinbrüchen kamen sie?

Um das Lexikon abzurunden, würde ich mir eine beigefügte CD-ROM wünschen. Es wäre eine Freude, Maserungen, Kristallformen und -farben und geschliffene Flächen auch von selten vorkommenden Gesteinssorten betrachten zu können.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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