Eine Annotation von Ulrich Ramm
Weissensteiner, Friedrich:
Die Töchter Maria Theresias
Bastei-Verlag Gustav Lübbe,
Bergisch Gladbach 1996, 287 S.

Wer ist heute bei all den alltäglich erdrückenden Problemen, denen sich der deutsche Michel ausgesetzt sieht, nicht ein bißchen glücklich darüber, daß es einige Boulevardzeitungen gibt, die sich mit ihren Storys bemühen, uns ein wenig Ablenkung ins Leben zu bringen. Ist es nicht rührend, wie um unser aller Wohl besorgte Journalisten mit großen Buchstaben und reißerisch aufgemachten Titelstorys Abwechslung bringen in unser von Tristesse und immer größer werdenen Sorgen geprägtes Leben?

Denn es wird uns ja auf diese Weise vor Augen gehalten, um wieviel schlimmer es uns gehen könnte, wenn wir reich wären oder aus einem hochwohlgeborenen Hause stammten. Was sind schon die Sorgen um den Erhalt oder die Gewinnung eines Arbeitsplatzes gegen die Probleme einer Lady Di? Ja, die Reichen, Blaublütigen und Berühmten haben es trotz ihres Geldes und ihres gesellschaftlichen Ansehens sehr, sehr schwer. Otto Normalbürger schlägt sich dagegen lediglich mit Kleinigkeiten herum.

Kaum viel anders war es wohl mit unseren Altvordern. Die meisten mußten arbeiten, um und ihren Familien das Leben zu ermöglichen, und dann gab es die schrecklich liebesarmen Herrscher.

Um erfahren zu können, wie es konkret den Töchtern der Erzherzogin von Österreich, Königin von Ungarn und Böhmen (1740-1780), römisch-deutschen Kaiserin (1745-1780), Maria Theresia (1717-1780), seit 1740 unumschränkte Herrscherin in Österreich, erging, sollte man zu dem Buch von Friedrich Weissensteiner greifen. Denn unter den 16 Kindern Maria Theresias befanden sich elf Töchter, von denen drei das Kindesalter nicht überlebten. Den übrigen acht ist dieses Buch gewidmet. Maria Antoinette ist sicherlich die bekannteste der geliebten, aber nichtsdestotrotz eiskaltem politischem Kalkül unterworfenen Töchter Maria Theresias. Maria Carolina, kurzerhand als Ersatz für die verstorbene Josepha dem neapolitanischen Hof als Braut für den ungehobelten Ferdinand zugesandt, ist nur ein Beispiel für die bedauernswerten dynastischen Zwänge, denen die jungen Frauen unterworfen waren.

Bei der recht spannend geschriebenen Lektüre erfährt man, daß es eigentlich nur zwei Möglichkeiten gab, sich dem hochherrschaftlichen Heiratsmarkt zu entziehen: Maria Anna, die Älteste, die nach einer Krankheit so entstellt war, daß für sie kein Bräutigam gefunden werden konnte. Der „gelehrige Blaustrumpf“, wie man sie nannte, widmete ihr Leben ganz der Wissenschaft. Marie Christine, schön und künstlerisch begabt, war der erklärte Liebling der Kaiserin und konnte als einzige von deren Töchtern durch eine Liebesheirat der elterlichen Vormundschaft entfliehen.

Kein tiefgründiges Buch, schon gar kein bedeutendes Historien-Werk zur habsburgischen Monarchie - unterhaltsam ist es aber allemal. Und man legt es aus der Hand mit dem befriedigenden Gefühl: Wie gut, daß ich nicht reich und von Geburt her privilegiert bin.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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