Eine Annotation von Joachim Schwandt
Treu, Martin:
Die Lutherhalle. Wittenberg
Fotographien Wilfried Kirsch.
Edition Leipzig, Leipzig 1991

Der kleine Band Die Lutherhalle. Wittenberg aus der Reihe „Museen, Sammlungen, Denkmale“geht weit über die Beschreibung eines Museums hinaus. Das Heft ist eher eine Fundgrube zu Wissenswertem über Wittenberg in seiner hohen Zeit als Universitätsstadt, über Martin Luther, insbesondere in seiner Zeit als Professor an der Universität und über die Reformation.

Was hat es mit der Lutherhalle auf sich? schließlich stellt sich dem Betrachter ein Gebäudekomplex und nicht nur eine Halle dar. Im Grunde handelt es sich um eine Verwechslung. Der Preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm bezeichnete die Anlage bei ihrer Eröffnung als preußisches Museum am 13. September 1883, dem 400. Geburtstag Luthers, als Lutherhalle, weil zuvor die Einrichtung einer Halle als Reformationsgedenkstätte erwogen worden war. Die Bezeichnung Lutherhalle machte publizistisch die Runde, so daß eine Korrektur nicht mehr durchzusetzen war.

Das Gebäude war ursprünglich das Schwarze Kloster in Wittenberg, in dem Luther als Augustinermönch und Professor der Wittenberger Universität lebte. Nach der Säkularisation erhielt Luther das Gebäude auf seinen Namen überschrieben. So war es sein Wohnhaus bis an sein Lebensende.

Luthers Leben und Wirken war eng mit der Wittenberger Universität verbunden. In der Anfangszeit der Wittenberger Universität fand ein Teil des Lehrbetriebs im Schwarzen Kloster statt. Das blieb auch so, als die Mönche ausgezogen waren und das Gebäude Luther und seiner Familie als Wohnhaus diente. Dadurch war es geradezu prädestiniert, als Luther- und Reformationsmuseum bis in die Neuzeit erhalten zu werden. Das Büchlein gibt einen eindrucksvollen Bericht von den Wechselfällen der Geschichte, wie sie mit dem Gebäude und seiner Funktion als Museum, Repräsentationsobjekt oder Streitobjekt sowie mit seinen Exponaten verbunden waren.

Über die Reformation ist bereits viel geschrieben worden. Aber nur selten wird auch auf die Lebensumstände der Menschen in vorreformatorischer Zeit eingegangen, auf die ideologischen Zwänge, denen sie ausgesetzt waren, und die Geschäfte, die mit ihren Ängsten betrieben wurden. Hier findet man einleuchtende Angaben dazu. Wer die Darstellungen liest, dem wird schnell klar, warum die Reformation sich durchsetzte und auch in den Landesteilen ihre Spuren hinterließ, in denen sie nicht offiziell eingeführt wurde.

Für den Interessierten empfiehlt sich das Lesen auf jeden Fall, insbesondere dann, wenn er die Absicht hat, sich nach Wittenberg zu begeben und dem Museum einen Besuch abzustatten. Immerhin zeigt die Lutherhalle eine der größten Spezialsammlungen in Europa über Luther und seine Zeit. Es sind sowohl Drucke als auch Handschriften und eine besondere Sammlung von Gemälden aus der Schule Ludwig Cranachs des Älteren zu sehen. Die Ausstellung erstreckt sich vom Keller bis zum Dach über drei Etagen und sechs Ausstellungsräume.

Zu den herausragenden Exponaten zählt neben den genannten eine Ausgabe von Luthers Lebenswerk in 102 Bänden, die der Reformator in nur 25 Jahren schrieb. Es gehört dazu eine Bibelsammlung, die nicht nur sprichwörtlich an die Kette gelegt wurde, sondern verdeutlicht, wie man in früheren Jahren den Diebstahl von Büchern aus Bibliotheken zu verhindern suchte. Des weiteren gehört dazu eine Sammlung von Münzen und Medaillen. Das Büchlein ist reich mit Bildern ausgestattet, die einen eindrucksvollen Vorgeschmack auf die Ausstellung vermitteln.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10+11/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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