Eine Annotation von Bernhard Meyer
Schorfheide
Siegmund, Bernd (Text)/ Willmann, Lothar (Fotos).
Hinstorff Verlag, Rostock 1995, 80 S.

Autor und Fotograf bringen die Schorfheide vorrangig als Naturerlebnis nahe. Und doch ist es beileibe kein Naturbuch, nur eben der Mensch wird etwas zurückgenommen. Das betrifft sowohl die Einwohner wie die namhaften Gäste aller Zeitläufte. Dennoch wird allenthalben deutlich, daß eben gerade die Menschen jenes landschaftliche Kleinod über die Jahrhunderte zurechtstutzten. Andererseits wäre die Schorfheide heute gar nicht mehr existent, wenn nicht eben immer wieder weitsichtige Menschen ihre Hand über dieses Stück unberührte Natur gelegt hätten - Landschaftsschutzgebiet seit langem, Biosphärenreservat seit kurzem.

Bernd Siegmund hat einen frisch und flott formulierten Text geliefert, der uns das Schicksal der Schorfheide auf nur wenigen Seiten erläutert. Da ist die Rede von der Jagd, der hier viele aus der Berliner Politprominenz frönten, unabhängig, ob sie sich Kurfürst, König, Kaiser, Minister, Reichsfeldmarschall, Staatsratsvorsitzender, Generalsekretär oder wie auch immer betitelten. Berichtet wird vom verheerenden Holzeinschlag für die Glasindustrie, die einst Leonhard Thurneysser in Joachimsthal ansässig machte. Natürlich taucht da Friedrich II. auf, der nach der Wildrodung die Wiederaufforstung anordnete und höchstpersönlich kontrollierte. Schließlich findet das Berliner Joachimsthalsche Gymnasium gebührende Erwähnung, das hier in der Schorfheide im 17. Jahrhundert als Fürstenschule entstand. Siegmund verbindet anregend Historie und Gegenwart, Natur und Mensch; er findet, gestützt auf kundige Heimatchronisten und bodenständige Forstleute, stimmige Bilder. So gelingt es dem Leser leicht, die Schorfheide als Naturereignis erster Güte zu begreifen und die ökologischen Bedrohungen zu erkennen.

Von gleicher Aussagekraft sind die herrlich anzusehenden Fotografien von Lothar Willmann. Er läßt die Kamera in der Natur schwelgen - und er beweist Gefühl für sie. Mit sicherem Blick vermittelt er die schlichte Schönheit dieses brandenburgischen Landstrichs, eine Wiese, ein Waldmoor, den Hutewald, Wildpferde, die dörfliche Anmut von Friedrichsthal und natürlich den Werbellinsee. Das alles in verschiedenen Stimmungen und Jahreszeiten sowie aus der Luft. Wunderbar beobachtet auch ein Schwanenpaar - einmalig.

Text- und Bildautor erzielen Wirkung. Man will selbst in natura sehen, wovon man eben gelesen und gesehen hat. Die Gedanken schweifen weit ... Plötzlich wird freudig bewußt: Wovon hier berichtet wird, liegt vor den Toren Berlins, jederzeit für jedermann erreichbar. Was soll mir da Mallorca?


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 09/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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