Hannelore Rosenthals Buch ist weniger ein Bericht über ein ganz normales Haus in Berlin SO 36, wie der Titel vermuten läßt, als vielmehr eine romanhafte Chronik des Alltags seiner Bewohner in dunkler Zeit. Berliner um die Sechzig werden in dieser detailgenauen Alltagsgeschichte viel über ihr eigenes Leben, die wechselnden Stimmungen und die Atmosphäre in den Nazijahren wiederentdecken. Da ist nicht von Widerstand die Rede, wohl aber von dem, was auch den Hausbewohnern auffallen mußte, als Juden und Zigeuner deportiert wurden. Die Polin Waleska jedenfalls findet hier ein Zuhause. Dieses Buch von den kleinen Leuten ist unsentimental, sehr berlinisch und ohne jeden literarischen Anspruch aus der Sicht des Mädchens Anja geschrieben, das als Kleinkind den Kriegsbeginn erlebt, die Tage und Nächte zunehmend im Luftschutzkeller verbringen muß und schließlich den Einmarsch der Roten Armee keineswegs als Befreiung erlebt. Auch bei dieser Beschreibung überwiegt die naive Beobachtung, die den Reiz des Buches ausmacht. Dem Haus hat es übrigens nichts genutzt, daß es den Krieg überstand. Dreißig Jahre später fiel es der Abrißbirne zum Opfer.