Eine Annotation von Joachim Schwandt
Feldhaus, Bernd
Unterwegs nach Brandenburg
berdel Verlag, Selm 1994, S. 117

Das vorliegende Buch ist mit seinen 117 Seiten eher eine Broschüre, aber es ist reich an mitgeteilten Eindrücken. Gut, daß bereits die Einführung und die Hinweise des Einbandes eine Erläuterung zum Autor, zum Zweck seines Aufenthalts in Brandenburg und zu seiner Grundeinstellung im zusammenwachsenden Deutschland der neunziger Jahre mitteilen, man hätte sonst an manchen Stellen Schwierigkeiten, die Beiträge einzuordnen. Bernd Feldhaus war „1975-1990 Mitglied des Landtags in Nordrhein-Westfalen, hat seit 1991 verantwortlich am Aufbau demokratischer kommunal- und landespolitischer Strukturen in Brandenburg mitgearbeitet“.

Um es vorwegzunehmen: Nur in ganz wenigen Ausnahmefällen hat der Rezensent eine so behutsame und gutwillige Annäherung eines Menschen aus den Alten Bundesländern an die Verhältnisse in den Neuen Bundesländern erlebt, gelesen oder gehört, wie sie in diesem Buch sichtbar wird. Dem Autor gebührt überaus hohe Anerkennung. Mehr als alle Sonntagsreden, Versprechungen oder auch Schuldzuweisungen ist dieses Buch ein wirklicher Beitrag zur Herstellung der inneren Einheit. Angesichts vieler negativer Beispiele seiner Landsleute, die in die Neuen Bundesländer gekommen sind, um hier „ihren Schnitt“ zu machen, ist das ehrliche Bemühen des Autors ein wohltuendes Erlebnis.

Die Aufzeichnungen Bernd Feldhaus' teilen sich in zwei Abteilungen: Gedichte und Skizzen.

Die Gedichte, alle ohne Interpunktionszeichen, werden durch die Aufteilung der Zeilen strukturiert, was einen großen Auslegungsspielraum offenläßt - manchmal aber auch das Verständnis wesentlich erschwert.

Rückblickend auf das vergangene System, prägt der Autor die Formulierung von der „angepaßten Verweigerung“, in der er seine Landsleute unter dem Zwang der Verhältnisse sah - Vorwurf und mitgelieferte Entschuldigung zugleich. Auf dieser Basis ist eine Verständigung unterschiedlicher Biographien leicht möglich. Solche Gesten machen das Buch so angenehm. Die Niederschrift ist ganz offensichtlich von dem Willen geprägt, Hindernisse der Verständigung zu beseitigen, was eine Einteilung nach der Herkunft in Belastete und Unbelastete ausschließt und die Arbeit an der Herstellung gleicher Lebensverhältnisse für jeden, der daran mitarbeiten möchte, erlebbar macht.

Bernd Feldhaus beschreibt, ebenfalls in Versform, die Brandenburger Natur, so z. B. den Templiner See, den Fläming, Blumen, die Stadt Brandenburg und einige Highlights des gleichnamigen Landes.

Unter der Überschrift „Zeitstücke“ verrät uns der Autor, wie es ihm gelingt, glückliche Augenblicke festzuhalten. Er rät uns, sie aufzuschreiben. Und diesem Rat haben wir auch das kleine Buch zu verdanken. Auf der gleichen Ebene liegt auch sein Rat um Liebe und Tod. Man muß sich Bekanntes immer wieder erzählen, um nicht zu vergessen.

Es fällt dem Rezensenten schwer, angesichts des überaus angenehmen Gesamteindrucks einige Richtigstellungen anbringen zu müssen. - Da wird beispielsweise die Zeit, in der „die Mauer“ stand, mit 40 Jahren angegeben. 40 Jahre dauerte die durch die Gründung zweier Staaten auf deutschem Boden belegte Teilung, „die Mauer“ stand davon nur 28 Jahre. - Das Land Brandenburg wurde nach 38 Jahren wieder begründet. Es wurde 1952 zugunsten einer Verwaltungsstruktur nach Bezirken aufgelöst und mit der Einheit Deutschlands im Jahre 1990 wieder ins Leben gerufen. - Das als Templinsee bezeichnete Gewässer trägt in der Realität den Namen Templiner See.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 09/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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