Eine Rezension von Kurt Seiffert

Spezielles für Spezialisten

Was „normale“ Reiseführer in ihrer nachgerade obligatorischen Rubrik „Praktische Tips“ zusammengefaßt vermitteln, das läßt sich im einzelnen auch komplettieren, erweitern, präzisieren, kategorisieren, beschreiben und bewerten. Und dann in Form eines Spezial-Reiseführers auf den Markt bringen. Originär ist diese Idee längst nicht mehr, für Berlin gibt es schon eine ganze Bibliothek solcher Bücher. Selbst die einzelnen Spezies kommen kaum noch als Einzeltitel daher, Beispiel Gastronomieführer.

Im be.bra Verlag erschien 1996 der Text-Bild-Band Berlin - Unterwegs in Bars, Cafés, Restaurants von Heike v. Truczynski und Stefan Geiser (Fotos). 45 Lokale, von „Aida“ bis „12 Apostel“, werden auf je einer Doppelseite in Text und Fotos vorgestellt, ihr Name erklärt, ihr Charakteristikum ermittelt, ihre Spezialitäten erforscht, das Ambiente beschrieben, ihre Lage im Umfeld verdeutlicht. Die Autoren beteuern, daß sie „einige“ ihrer Lieblingsrestaurants vorstellen. Das kulinarische Angebot reicht von Berliner Hausmannskost bis Arabisch, von Mediterran bis Russisch, von Österreichisch bis Karibisch. Die Lokale präsentieren sich als Szenetreff oder Literaturcafé, als Schiffsrestaurant oder gepflegtes Haus für besondere Anlässe. Und sie liegen im „foinen“ Wilmersdorf ebenso wie im Prenzlauer Berg, in Charlottenburg ebenso wie in Mitte oder Kreuzberg. Die Texte sind kurz, zu kurz, manche der zu oft menschenleeren Fotos in ihren Farben eher abschrecklich, das Ganze aber ein Anstoß zum Ausprobieren. Jedenfalls haben die beiden Autoren 45 mal - und sicherlich sehr gut - umsonst, nein: kostenlos gespeist. (102 Seiten)

Auch Zwischen Shrimps und Schaschlik ist ein Restaurantführer. Es gibt ihn für viele Städte, also auch für Berlin (ars vivendi Verlag, Cadolzburg 1994). Weil für ihn gleich neun Mitesser getestet und geschrieben haben, kommt er locker auf 320 Seiten und 190 Testobjekte. Für jedes gibt's hier nur eine Seite, und zwar im Karteikarten-Outfit, aber hochkant, und mit einem festen Informationen-Schema. Da wird der Restauranttyp ermittelt - unabhängig von der Selbstdarstellung des Etablissements -, das Leistungsspektrum von Küche und Keller angedeutet und locker vom Hocker die Qualität von Lokal, Angebot, Service sowie das Preisniveau in einem „Essay“ beschrieben und bewertet, nicht ohne Impressionen vom Lokalgeschehen, wobei „lokal“ auch den Kiez meint. Das ist für eifrige Restaurantgänger ein sehr brauchbares, weil informatives und obendrein unterhaltsames Buch. Denn neun verschiedene Handschriften, darunter höchst vergnügliche, erheben sich und den Leser immer wieder mal vom unmittelbaren Gegenstand bis in fast literarische Höhen.

In der gleichen Machart ist im selben Verlag 1995 der Kneipenführer - Berlin zwischen Sekt und Selters erschienen (216 S.). Klar, daß die Zahl der Tester (und -innen) auf neun angewachsen ist. Merkwürdig, daß (auch hier wieder mal) das Berlin östlich der abhanden gekommenen Mauer nur aus Mitte, Prenzlauer Berg und ein bißchen Friedrichshain zu bestehen scheint. Jedenfalls wurde in fast 200 Erlebnistankstellen der Spezies Kneipe, Café, Bar, Disko und Biergarten gezapft und ihnen frech-fröhlich mit keineswegs glasigem Blick ein Urteil verpaßt, daß die Ohren sausen. Da vergißt man beim Lesen glatt, an der Tulpe zu nippen.

Gänzlich der restaurant-feuilletonistischen Art hat sich Lutz Ehrlich in seinem Aufgetischt - für Berlin und Umgebung verschrieben. Da geht es mehr um die Atmosphäre als vordergründig um einzelne Gerichte oder Menüs. Da werden Gaststätten in vielen Berliner Stadtbezirken und auch in manchem Dorf im Umland besucht und in letzteren nicht die schlechtesten Entdeckungen gemacht. Ein gastronomisches Lesebuch mit Beobachtungen und Reflexionen, in dem nicht nur aufgetischt, sondern auch ausgeteilt wird: manche Weisheit über gesundes Essen, manch fröhliches Lob, manch ätzender Spott, wo es Anlaß gibt; ganz nach Erlebnisertrag des Vor-Ort-Besuchs (be.bra Verlag, 1995, 118 S.)

Natürlich kennt die Welt mehr Themen als nur Essen und Trinken. Zwei HerausgeberInnen und sechs Schreiber erlebten Berlin spontan (OPS-Verlag, Berlin 1996) und geben auf 208 Seiten „Tag- und Nachttips für Kurzentschlossene“ . Ihr Spektrum reicht von Grün wie Parks und Sportplätze bis zu Rot wie Rotlichtszene. Sie erkundeten Verkehrsnetz und „Gastro-Szene“ (beides hier nicht in unmittelbarem Zusammenhang zu sehen), zogen zu Aussichtspunkten und Nacht-Musik, stöberten Spielplätze und Festplätze auf, wagten sich an Flüsse, Seen und in Museen ... Das alles ist ordentlich sortiert. Notiert wurde es sachlich und kurz: information first. Adressen und ein paar Zeilen Erläuterung.

Obwohl der Winter schon an der Tür klappert - der Spezialführer Berlin geht baden - Badestellen in Berlin und Umgebung läßt sich ganzjährig nutzen. Bei der Unmenge Seen rings um Berlin verhilft er selbst Eingeborenen, ob Badelustige oder Wassersportler, noch zu Entdeckungen. Im Sommer. Und für den Winter hat er Empfehlungen parat wie die Saunalandschaft im Paracelsus-Bad, ein türkisches Hamam in Kreuzberg, das preiswertere Wellenbad im SEZ am Friedrichshain und den eintrittsmäßig teureren Badespaß im blub. Die einzelnen Bäder werden beschrieben, der Weg dorthin auch. Im übrigen zählt dieses 128-Seiten-Bändchen aus dem Argon-Verlag 1996 zu einer ganzen Argon-Berlinothek mit vielen weiteren spezialisierten Berlin-Führern.

Heike v. Truczynski/Stefan Geiser: Berlin - Unterwegs in Bars, Cafés, Restaurants
be.bra Verlag, Berlin 1996, 102 S.

Zwischen Schrimps und Schaschlik
ars vivendi Verlag, Cadolzburg 1994, 320 S.

Kneipenführer - Berlin zwischen Sekt und Selters
ars vivendi Verlag, Cadolzburg 1995, 216 S.

Aufgetischt - für Berlin und Umgebung
be.bra Verlag, Berlin 1995, 118 S.

Berlin geht baden - Badestellen in Berlin und Umgebung
Argon Verlag, Berlin 1996, 128 S.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 09/96 (c) Edition Luisenstadt, 1996
www.berliner-lesezeichen.de

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