Eine Rezension von Eberhard Fromm

„Wo man aufschlägt, blitzt es ...“

Novalis. Dokumente seines Lebens und Sterbens
Herausgegeben von Hermann Hesse und Karl Isenberg
Insel Verlag, Frankfurt/M. 2000 (Nachauflage), 221 S.

Es ist schön, in einem kleinen Taschenbuch einen Teil jener Dokumente bei sich zu haben, die vom Leben und Sterben des größten deutschen Frühromantikers Friedrich von Hardenberg (1772- 1801) Zeugnis ablegen, der sich Novalis nannte. Besonders wertvoll wird diese kleine Auswahl aber noch dadurch, daß sie eine Ausgabe aus dem Jahre 1925 zugrunde legt, die von Hermann Hesse und Karl Isenberg stammt.

So sind es denn auch drei Textebenen, die dem Leser ein intensives Bild des Novalis vermitteln. Da sind zuerst die Auszüge aus Tagebüchern des Dichters und aus Briefen, die trotz aller Knappheit sein Denken und Fühlen überzeugend zum Audruck bringen. Bei aller Tragik, die in diesem so früh beendeten Leben steckt, muß man den Reichtum des inneren Lebens und den Lebenswillen bewundern. „Man muß in der Welt sein, was man auf dem Papier ist - Ideenschöpfer“, heißt es in einem der Briefe an Friedrich Schlegel.

Einen zweiten Textkomplex bilden die zeitgenössischen Erinnerungen. Hier sind es vor allem „Das Leben des Novalis“ von Ludwig Tieck und die Novalisbiographie des Kreisamtmanns Just, der Novalis aus seiner Arbeit in Tennstedt seit Herbst 1794 persönlich kannte und mit ihm befreundet war, die Aufschluß über die Persönlichkeit des Dichters geben. Zu nennen sind auch einige Briefstellen über das Ende von Novalis sowie Erinnerungen von Henrich Steffens.

Drittens findet man Aussagen von Hermann Hesse zu und über Novalis. Es sind dies das Vorwort, einige ausgewählte Texte aus Rezensionen und Briefen sowie die frühe Erzählung „Der Novalis. Aus den Papieren eines Altmodischen“. Hesse begegnet dem Dichter der Frühromantik nicht nur mit Hochachtung, sondern geradezu mit Verehrung. So gesteht er seinem Sohn 1945 in einem Brief, daß Novalis eine der großen Lieben seiner Jugend gewesen sei. Von dieser Begeisterung zeugt eine Aussage aus dem Jahre 1929: „Wo man aufschlägt, blitzt es und zuckt hochgespannter Strom.“

Im Vorwort nennt er das Leben und Schaffen von Novalis das „wunderlichste und geheimnisvollste Werk, das die deutsche Geistesgeschichte kennt“ sowie „die rührende und aufwühlende Legende seines Lebens“, auf die in dieser Sammlung aufmerksam gemacht werden soll. Gleichzeitig skizziert Hesse seine Ansicht von der „ersten romantischen Schule“, als deren genialsten Mitbegründer er Novalis benennt, der zugleich der einzige Dichter ersten Ranges in dieser Schule gewesen sei: „Das Schicksal dieser Epoche ist leicht mit wenigen Worten zu berichten: es ist die kurze Geschichte eines Kreises junger Dichter, die an der Grundströmung ihrer Zeit, dem ungeheuren Überwiegen der Philosophie, künstlerisch zugrunde gingen.“ Trotz des so beschriebenen Schicksals der frühen Romantik stellt für Hesse diese Zeit den Beginn der modernen deutschen Literatur dar, da sich die Literatur als „Ding für sich“ und die Schriftstellerei als Beruf zu fühlen begannen.

Die Erzählung, die in den Jahren zwischen 1899 und 1902 entstanden ist, aber erst 1907 veröffentlicht wurde, erzählt vom Schicksal, von der „Privatgeschichte“ einer zweibändigen Novalisausgabe aus dem Jahre 1837. Der mit vielen Bildern und Zeichnungen ausgestattete Band ist so eine gute Werbung für gleich zwei große Dichter der deutschen Sprache.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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