Eine Rezension von Bernd Heimberger

Zipfel mit Zukunft

Marten Schmidt: Rügens geheime Landzunge
Die Verschlußsache Bug.
Ch. Links Verlag, Berlin 2000, 175 S.

Muß daran mal wieder erinnert werden, daß Nazisymbole auf dem Gebiet der DDR nicht nur verpönt waren? Sie waren verboten. Strikt! Selbst Sachbücher zum Thema „Drittes Reich“ durften keinen Titelumschlag haben, der Nazisymbole zeigte. Heute sind nazistische Symbole auf Buchumschlägen keine Seltenheit. Unterm Deckmantel der Dokumentation werden die Symbole als Werbemittel genutzt. Wer macht sich da zu wessen Helfershelfer? Dem Ch. Links Verlag, Berlin, Werbung mit nazistischen Symbolen zu unterstellen, hieße ihn zu diffamieren. Dennoch wählte der Verlag für Marten Schmidts Sachbuch Rügens geheime Landzunge ein Titelfoto, das uns mit einem Blick ins Hakenkreuzland zurückholt, obwohl das nur ein Dutzend Jahre beanspruchte, was dem deutschen Volk fast ein Jahrhundert vorenthalten wurde. Von den Nachkriegspausen mal abgesehen, war die Halbinsel Bug, Teil der Insel Rügen, rund acht Jahrzehnte gesperrtes Gebiet. Das heißt eine Enklave des deutschen Militärs dreier Gesellschaften: der kaiserlichen, faschistischen, sozialistischen.

Östlich von Hiddensee gelegen, ist die Halbinsel ein landschaftlich reizvoller Zipfel, der weit hineinragte in die jämmerliche deutsche Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts. Das Buch macht die Deutschen mit einem Stück verdeckten, versteckten Deutschland bekannt.

Schmidts Geschichtsbuch über eine mißbrauchte Landschaft bringt deutsche Geschichte ins Gespräch, die in keinem Geschichtsbuch steht. Die publizistische Chronologie folgt der Chronik des Militärstützpunkts Bug. In den drei Hauptkapiteln berichtet der Verfasser von der Inbesitznahme der Landzunge - 1916 - durch die Seefliegerverbände der kaiserlichen Armee und schließlich von der Verabschiedung der Nationalen Volksarmee sowie der endgültigen Auflösung des Marinestützpunktes Bug im Dezember 1991.

Statt Truppen sollen nun Touristen des Terrain erobern, damit der vergangenheitsbelastete Landstrich eine Zukunft hat. Die hat begonnen, seit der Bug Teil des Nationalparks „Vorpommersche Boddenlandschaft“ ist. Wasserflugzeuge proben schon mal den Urlaubertransport. Bevor aufgebrochen werden kann ins wiederentdeckte Land, ist in Marten Schmidts Buch eine Landschafts-Zeit-Militär-Geschichte zu erforschen, von der bald kaum mehr etwas sichtbar sein wird. Gut, daß es Bücher gibt, die das Vergessen verhindern. Ob ihnen deshalb alles erlaubt ist? Siehe oben!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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