Eine Rezension von Helmut Caspar

Preußens oberster Baumeister

Heinz Ohff:
Karl Friedrich Schinkel oder die Schönheit in Preußen
Piper Verlag, München 2000, 285 S., 38 Abb.

In seiner Kindheit hatte Preußens oberster Baumeister Karl Friedrich Schinkel (1781- 1841) ein traumatisches Erlebnis. Beim Brand seiner Heimatstadt Neuruppin 1787 echauffierte sich sein Vater, der Superintendent Johann Cuno Christoph Schinkel, dermaßen, daß er zwei Monate später an den Folgen einer Lungenentzündung starb, die er sich beim Lauf zur Brandstelle zugezogen hatte. Die Geschichte wurde von Theodor Fontane, dem anderen berühmten Neuruppiner, in den Wanderungen durch die Mark Brandenburg ausführlich geschildert, und natürlich fängt auch Heinz Ohff seine Biographie mit diesem Schicksalsschlag an. Die immer wieder gestellte Frage, ob der junge Schinkel beim Wiederaufbau seiner Stadt jene Eindrücke empfangen hat, die ihn eine Karriere als Maler und Baumeister beginnen ließen, kann Ohff, wie andere Autoren auch, nicht beantworten. Angesichts der spärlichen Quellenlage zu diesem Punkt hält der Verfasser entsprechende Vermutungen für „reine Spekulation“. Verbürgt aber ist, daß der berühmte Architekt, Stadtplaner, Designer, Bühnenbildner, Gestalter höfischer Feste und nicht zuletzt Vater der Denkmalpflege in Preußen stets auf die „Feuersicherheit“ seiner Bauten achtete, wie das Beispiel des mit einem „eisernen Vorhang“ ausgestatteten Schauspielhauses in Berlin lehrt.

Heinz Ohff, der langjährige Feuilletonchef des Berliner „Tagesspiegel“ und Autor zahlreicher Biographien preußischer Persönlichkeiten, darunter Pückler, Eichendorff, Lenné, Fontane und Königin Luise, betont ganz zum Schluß seines Buches bei der Auflistung wichtiger Literatur über Schinkel, dessen Werk sei besser erforscht als sein Leben, das 1841 nach einem Schlaganfall recht kläglich und viel zu früh zu Ende ging. Beides kommt in dieser gewohntermaßen flüssig geschriebenen, dankenswerterweise mit einer Chronik versehenen Biographie zum Zuge - ein ausgefülltes, arbeitsreiches Künstlerleben, das von Rückschlägen und Enttäuschungen nicht verschont blieb, und ein umfangreiches, vielseitiges Werk, welches vermutlich opulenter ausgefallen wäre, hätte Schinkel nicht einen sehr sparsamen königlichen Auftraggeber und Kontrolleur gehabt, König Friedrich Wilhelm III., sondern dessen baufreudigen Sohn, der 1840 als Friedrich Wilhelm IV. den Thron bestieg, und nach Schinkels Tod dafür sorgte, daß dessen Frau und Kinder nicht darben mußten. Die Forderung des knausrigen Friedrich Wilhelm III.: „Bau'n Se billig, Schinkel“, hatte auch ihr Gutes, zwang sie doch den Architekten zu innovativen Entwürfen, wie das Beispiel der Friedrichswerderschen Kirche und der Bauakademie zeigt. Auf unterhaltsame und bildende Weise erlebt der Leser nicht nur Stationen in Schinkels Künstler- und Beamtendasein, er lernt auch fürstliche Auftraggeber und Kollegen kennen, betrachtet Zeitereignisse wie Preußens Bedrückung nach 1806 und die daraus resultierenden Reformbestrebungen, die auch für Schinkel eine wichtige Herausforderung waren, so wie er sich nach 1815 den Problemen stellen mußte, die politisch und künstlerisch mit der Restauration verbunden waren.

Daß Schinkels Leistungen nicht unumstritten waren, daß ihm angekreidet wurde, Stile zu kopieren und zu mischen, sichtbar am Kreuzbergdenkmal, welches antikisierende und gotisierende Elemente vereint, bleibt nicht unerwähnt, auch nicht die Abneigung Kaiser Wilhelms II., der zum Neobarock neigte, und die Vereinnahmung des Baumeisters durch die NS-Architektur, was wiederum den Umgang mit seinem Erbe nach 1945 nicht gerade erleichterte. Ohff hält sich allerdings von tiefergehenden Rezeptionsanalysen fern. Ihm ist daran gelegen, den Mann hinter dem Werk sichtbar zu machen, und das ist ihm auch bei der Schilderung häuslicher Verhältnisse hervorragend gelungen.

Kritisch anzumerken ist die schlechte Qualität einiger Abbildungen. Da das Buch im Jahr2000 herausgekommen ist, hätte es auch Fotos aktueller Zustände bieten müssen. Nichts gegen historische Darstellungen, Stiche, Zeichnungen, Fotos. Die Friedrichswerdersche Kirche, mit der Schinkel den unverputzten Ziegelbau in Preußen populär machte, wobei er Anregungen aus Italien aufgriff, sieht in ihrer rekonstruierten Form heute anders aus als auf dem Nachkriegsbild mit noch zugemauerten Fenstern, und auch der Lustgarten mit dem Alten Museum im Hintergrund bietet heute mehr als nur brutal-platte Aufmarschfläche aus der NS-Zeit. Ein i-Punkt auf den Bildseiten wäre sicher ein Foto von der Figurengruppe auf dem Schinkelplatz vor der Stelle gewesen, auf der die Bauakademie wieder aufgebaut werden soll. Hier sind drei Männer wiedervereint, die wesentlich das „geistige“ Preußen im frühen 19. Jahrhundert bestimmten: Schinkel sowie sein Freund Peter Beuth, Direktor des Königlichen Gewerbeinstituts, für das Schinkel Entwürfe fertigte, und Albrecht Daniel Thaer, der die Agrarwissenschaft voranbrachte.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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