Ein Rezension von Helmut Caspar

Schinkel als Bühnenbildner

Ulrike Harten: Karl Friedrich Schinkel - Bühnenentwürfe
Herausgegeben und überarbeitet von Helmut Börsch-Supan und
Gottfried Riemann.
Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2001, 484 S.

Karl Friedrich Schinkel (1781- 1841) war weitaus mehr als Preußens oberster Baumeister und Stadtplaner, er glänzte auch als Designer und Kunstgewerbler, Denkmalpfleger und zeitweilig sogar als überaus erfolgreicher Bühnenbildner. Diese wenig bekannte Seite seines universellen Schaffens erhellt der vorliegende Prachtband, mit dem nach zehnjähriger Pause die 1939 mit den Potsdamer Staats- und Bürgerbauten begonnene Edition des Schinkelschen Œvres fortgesetzt wird. Der Deutsche Kunstverlag, der Schinkels Werk herausbringt, hat auch diesmal keine Mühen und Kosten gescheut, die 136 zum Teil in Berliner Sammlungen noch erhaltenen Entwürfe zu 28 Opern und Schauspielen zu dokumentieren.

Die viele unbekannte Aspekte der Berliner und preußischen Theater-, Kultur- und Kunstgeschichte erhellende Untersuchung zeigt, daß Schinkel schon in jungen Lebensjahren großes Interesse am Theater und der Oper hatte. Rückblickend erinnerte er 1813, bereits im preußischen Kunstbetrieb etabliert und mit Aufträgen überhäuft, an seine früh entwickelte „Neigung für Baukunst und Landschaftsmahlerei“, die ihn „zur Bearbeitung mehrerer Gegenstände in der Theatermahlerei“ veranlaßt habe. „Es würde mich sehr glücklich machen, wenn ich zum Vergnügen und zur Bildung des Publikums in diesem Zweige das Meinige beitragen könnte, besonders da mir scheint, daß darin noch manches geleistet werden kann“, lautet der recht selbstbewußt formulierte Kernsatz eines Bewerbungsschreibens. Der „hochlöblichen Theaterkommission“ erklärt er, die Arbeit unentgeltlich ausführen zu wollen, lediglich müßten Unkosten und Löhne für Gehilfen von der Theaterkasse übernommen werden. Der Berliner Theaterdirektor August Wilhelm Iffland (1759- 1814) und nach ihm der Generalintendant Graf Brühl (1772- 1837) ergriffen die Chance, wissend, daß es in den Künsten kein Monopol gibt und die Pflicht besteht, „dem Talent Bahn zu brechen, wo es thunlich ist“, wie es Iffland formulierte.

Die Publikation basiert auf einer Dissertation der heute in Kiel lebenden Kunsthistorikerin Ulrike Harten. Ihre 25 Jahre alte Untersuchung wurde für den nunmehr 17. Band der Reihe Karl Friedrich Schinkel - Lebenswerk von den Berliner Schinkel-Spezialisten Helmut Börsch-Supan und Gottfried Riemann zur vollen Zufriedenheit der Autorin überarbeitet, wie es bei einer Buchpräsentation vor kurzem in der Friedrichswerderschen Kirche in Berlin hieß. Der reichlich mit dokumentarischem und Bildmaterial ausgestattete Band verdeutlicht Schinkels musikalisch-poetische Auseinandersetzung mit den an der Königlichen Oper Unter den Linden und im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt aufgeführten Opern und Schauspielen. Berühmte Aufführungen von Werken von Mozart, Gluck, Spontini und E. T. A. Hoffmann sowie von Goethe, Schiller und Kleist werden unter Berücksichtigung der Schinkelschen Entwürfe analysiert. Die Autorin befaßt sich auch mit den phantasievollen Dekorationen für Werke, die man heute nicht mehr kennt. So bringt uns Hartens Untersuchung das komplexe Wesen dieser nachdenklichen, nimmermüden und überaus phantasievollen Künstlerpersönlichkeit nahe, die Schinkel war. Die Autorin holt eine wenig bekannte, daher aber nicht unwichtige Facette seines vielseitigen Schaffens aus dem Vergessen und zeigt dabei auch, daß es auch für einen Intendanten wie den Grafen Brühl nicht leicht war, die gelegentlich skurrilen Wünsche des Königs Friedrich Wilhelm III. und seinen Sparsamkeitstick mit effektvollen Aufführungen in Übereinstimmung zu bringen. So enthält das Buch interessante Einzelheiten über den Kunstbetrieb in Berlin während der Romantik, über Theaterleiter, Dichter und Komponisten, Schauspieler und Sänger, vor allem über die Zuschauer, die sich gern auch von den anmutigen bis schaurig-schönen Dekorationen in ferne Welten entführen ließen.

Schinkel wird als ein Meister charakterisiert, bei dem Kenntnisse und Erfahrungen als Maler und Architekt zusammenfließen, wie die Autorin betont. Ihm seien die Beschäftigung mit dem Theaterbau und Dekorationswesen zugute gekommen, schließlich war Schinkel ja auch selber Schöpfer des Berliner Schauspielhauses, für das er dann auch die Dekorationen lieferte. Wir erfahren, daß der Künstler nicht nur seine Phantasie walten ließ, geleitet selbstverständlich vom Inhalt des jeweiligen Stücks, sondern intensive Quellenstudien betrieb, bevor er sich an die eigentlichen Entwürfe setzte. Interessant auch zu wissen, daß etliche Bühnenbilder durch Reproduktionsstiche Verbreitung fanden und so auch andere Theater beeinflußten. Diese Wiedergaben gehören zu den wesentlichen Quellen, aus denen die Autorin schöpft, da nicht alle Bühnenbilder erhalten geblieben sind. Hinsichtlich der Resonanz auf die durch Schinkel veredelten Aufführungen hat die Autorin Zeitungsberichte und andere Unterlagen herangezogen, auszugsweise werden auch Texte berühmter Zeitgenossen wie Goethe, Kugler und Waagen abgedruckt, die auf Schinkel als Mensch und Künstler eingehen wie auch speziell auf die Theatermalerei. Deutlich wird, daß man sehr wohl die eigenständige künstlerische Bedeutung der Theaterdekorationen zu schätzen wußte. Daß sie noch lange nach seinem Tod verwendet wurden, gehört zu ihrem Nachwirken. Ebenso wird vermerkt, daß man um 1900 mit den Bühnenbildern nicht mehr viel anfangen konnte.

Die Herausgeber betonen, daß innerhalb der vor über 60 Jahren von Paul Ortwin Rave begründeten Schinkel-Edition ein spezieller Band über die Bühnenbilder nicht geplant war. Ihre Bedeutung für das Gesamtschaffen des aus Neuruppin stammenden Architekten sei von der damaligen Forschergeneration noch nicht erkannt worden. Lediglich sei die Erfassung des zeichnerischen und malerischen Werks mit Einschluß der Bühnenbilder in einem Band geplant gewesen. Wie sich bei Besichtigung der bisher veröffentlichten Bücher zeigt, ist die Edition des Schinkel-Werks noch lange nicht beendet. Zu erforschen sind für ähnlich opulente Bände noch die Tätigkeit des Geheimen Oberbaurats für die Provinz Sachsen und die preußischen Ostprovinzen und außerhalb Preußens. Auch fehlen die Bearbeitung der Aufzeichnungen aus Italien, über die Tätigkeit für König Friedrich Wilhelm III. und den Thronfolger Friedrich Wilhelm IV. sowie seine Beiträge zur Verbesserung des Kunstgewerbes.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 06+07/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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