Eine Rezension von Christel Berger
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Der Kalte Krieg und die Literaten

Hans Dieter Zimmermann: Literaturbetrieb Ost/West
Die Spaltung der deutschen Literatur von 1948 bis 1998.
Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2000, 214 S.

Ich weiß es beim besten Willen nicht, warum ich nach der Erfahrung der letzten Jahre mit dem Titel Literaturbetrieb Ost/West. Die Spaltung der deutschen Literatur von 1948 bis 1998 die Illusion verband, eine Darstellung von Literaturdebatten, -kämpfen von „hüben“ und „drüben“, vor allem aber zwischen „hüben“ und „drüben“ zu finden, die aus der zeitlichen Distanz Gewinn schlägt und mit vielleicht sogar heiterer Gelassenheit und Souveränität die Dummheiten der alten Grabenkämpfe „Dummheiten, die nun vorbei sind“, nennt. Aber auch (und vielleicht: vor allem!) Sieger werden leider nicht klüger, und zudem hatte ich die Rechnung ohne den Wirt - in diesem Fall: den Autor - gemacht.

Hans Zimmermann stellt noch einmal Eckpunkte politischer und kulturpolitischer Auseinandersetzungen dar - u. a. den 1. Schriftstellerkongreß 1947, den 17. Juni 1953, Debatten um den Mauerbau und den „Prager Frühling“ 1968, widmet sich noch einmal der Vorgeschichte vieler Debatten im französischen Exil - bis zu den Vereinigungsstreitereien in der Berliner Akademie der Künste und im PEN nach 1989. Meist fußt dabei seine Kenntnis der Quellen auf veröffentlichten detaillierten Arbeiten anderer. Zimmermanns Leistung ist seine Interpretation, die maßgeblich von seinem politischen Standpunkt geprägt wird - und da steht er halt ganz rechts. Schon immer beleidigt, daß der Großteil der deutschen Intellektuellen das nicht teilte. So müssen nicht nur die DDR-Schriftsteller fast aller Strömungen für seine Beschimpfungen herhalten, auch Günter Grass oder Walter Jens, gar Reinhard Lettau oder die Radaubrüder der Studentenbewegung („krankhafte Erscheinungen der Gesellschaft ... wie im Nationalsozialismus“) bürstet er ab, und er ist dabei überhaupt nicht differenziert und sachlich, wie er es sich von Literaten eigentlich wünscht. Seine Argumente sind voller kleinlicher Unterstellungen und mit der Häme eines Rechthabers, und damit untergräbt er, was er eigentlich leisten will, denn ein Nachdenken über den Unsinn des Kalten Krieges im Literaturbetrieb wäre allenthalben angebracht. Da jedoch keinerlei Distanz von der Position des Kalten Kriegers (warum auch: Hat er nicht gewonnen und immer Recht gehabt?) erfolgt, das „Zündeln“ auch von „drüben“ (oder gab es u. a. den Brecht-Boykott oder die Kampagne gegen die Publikation der Schriften von Anna Seghers gar nicht?) überhaupt nicht erwähnt wird, gerät das Ganze zu einer äußerst groben Darstellung bekannter Beschuldigungen einzig und allein der „anderen“. Der Intimfeind Stephan Hermlin hätte Zeit seines Lebens machen können, was er wollte - Zimmermann hat ihn „gefressen“, und Christa Wolf geht es nicht viel besser. Die beigefügten Dokumente sind so ausgewählt, daß sie Zimmermanns Interpretation stützen, und da nimmt er halt auch Stasi-Berichte für bare Münze.

Wenn ich seine Meinung auch nicht teile, halte ich sie dennoch für wichtig als eine Facette im politischen Spektrum, die nach 1990 auch bei liberal geltenden Literaturwissenschaftlern offenbar an Boden gewonnen hat. Ein bißchen genauer hätte er dabei schon sein können: Einen Schriftsteller „Bredl“ hat es in der DDR nicht gegeben, und der am Anfang erwähnte Dietzel war nicht Walter D., sondern Ulrich.

Ich weiß nicht, inwieweit Zimmermann seine Kriterien für gute Literatur auch für Texte über Literatur gelten läßt. Wenn ja, fiele er bei sich selbst durch. Bei ihm heißt es: „Der Text muß nicht die Meinung des Autors enthalten, bringt er sie aber zum Ausdruck, ist immer noch die Frage, auf welche Weise er sie zum Ausdruck bringt: als eine von mehreren Meinungen oder als die einzig wahre und richtige? Wird ihm das Werk zur Illustration seiner Meinung? Und ist diese Meinung eine persönliche oder die einer Partei und Bewegung? Ist es gar eine geschlossene Ideologie, deren Anhänger er ist?“

Zimmermann beansprucht leider das Recht und die Wahrheit auf eine Weise für sich, daß jede Dikussion mit ihm am Panzer des Kalten Krieges abprallt.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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