Eine Rezension von Hans Aschenbrenner
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Wer war der letzte Inhaftierte im Londoner Tower?

René Zey: ECHT WAHR!
2 500 Antworten auf nie gestellte Fragen.
Ullstein Verlag, Berlin 1999, 299 S.

Unter dem Motto „2 500 Antworten auf nie gestellte Fragen“ wird in diesem Taschenbuch ein Kaleidoskop von „Notaten und Absurditäten des Bescheidwissens“, wie der Autor es nennt, präsentiert. Was er gesammelt hat, gehört gewöhnlich weder zum Schulwissen noch zum Universitätsstoff oder zum Inhalt etablierter Enzyklopädien. Für Zey ist es „das abseitige Wissen, das mit Merkwürdigkeiten und skurrilen Wahrheiten, mit verblüffenden Tatsachen und anekdotischen Randnotizen zu tun hat“. Über Jahre hinweg hat er es allmorgendlich aus Dutzenden von Zeitungen herausgeschnitten und in Bergen von Büchern zusammengesucht. Ihm ist allemal des Sammelns wert, was sonst nur als Randnotiz erscheint, zur Fußnote mutiert oder allenfalls in Klammern Erwähnung findet, denn nicht nur der Teufel sitzt oft im vermeintlich unwichtigen Detail.

Das akribische Studium von Meldungen aller Art, die gewissenhafte Aufnahme von noch so beiläufig genannten Namen und auch Nachtragen in der Klammer waren unabdinglich dafür, daß dieses Buch entstehen konnte. Die in ihm zusammengestellten Wissenssplitter beziehen sich auf alle möglichen und unmöglichen Dinge, die hier natürlich nicht alle aufgeführt werden können. Aber die Palette dessen, was angeboten wird, ist ebenso reich wie illuster. Man braucht ja nur einmal zu prüfen, ob man, wenn es denn sein müßte, wenigstens einige der folgenden Fakten parat hätte: Von welchem Film gibt es eine protestantische und eine katholische Fassung? Wer war der letzte Inhaftierte im Londoner Tower? Wie lautet das längste deutsche Wort, in dem sich kein Buchstabe wiederholt? Wofür entschied sich der Verband der Sportfischer bei der Wahl zum „Fisch des Jahres 1995“? Wann und wo kam das erste Dosenbier auf den Markt? Wann und wo erschien der erste „Duden“? Nach wie vielen Jahren gelten in Deutschland Autos und Motorräder als Oldtimer? Seit wann gibt es keine Bahnreisen dritter Klasse mehr? Wie oft und in welchen Jahren ist der Nobelpreis für Literatur nicht vergeben worden? Welcher Philosoph führte aus Angst vor Ansteckung in Restaurants und Hotels stets ein eigenes Trinkglas mit sich? Auf wen spielte der Beiname „Dicke Berta“ für die im Ersten Weltkrieg eingesetzten kurzläufigen Mörser der Firma Krupp an? Wer konnte als bisher einziger Akrobat mit zehn Bällen gleichzeitig jonglieren? Wann und wo fand in Europa die letzte Hexenverbrennung statt? Wie wurde im Mittelalter der Bordelldistrikt einer Stadt genannt? Die Gesamtausgabe welchen Dichters hatte Kaiser Wilhelm II. auf Reisen stets im Gepäck?

So unsortiert, wie die Dinge hier von uns aneinandergereiht werden, auch, um die ganze Breite und Vielfalt der Faktensammlung anzudeuten, geht es in dem Buch natürlich nicht zu. Es besitzt eine durchdachte, vom aufgespürten Material hergeleitete Gliederung. Sie umfaßt nach einem Abschnitt zu ganz alltäglichen Dingen (Wer im Regen schnell läuft, wird weniger naß als jemand, der mit normaler Geschwindigkeit geht/Die seit 1955 am häufigsten gezogene Lottozahl ist die 32 usw.) folgende größere Sachgebiete: Tiere; Geographie und Meteorologie; Geschichte und Politik; Justiz und Verbrechen; Wirtschaft; Essen und Trinken; Feste; Religion; Tod; Medizin; Technik und neue Medien; Autos und Verkehr; Sprache und Literatur; Film, Funk und Fernsehen; Musik; Kunst; Sport; Liebe und Sex; Leute gestern und heute. Alle diese Themenbereiche sind noch einmal zugkräftig untergliedert - Liebe und Sex beispielsweise in die Abschnitte: Von Lustgärten und Bordellen, von Küssen und Kondomen, von Aphrodisiaka und Geschlechtskrankheiten, von Playmates und Hetären, von Eheschließungen und Hochzeitsnächten.

René Zey, Inhaber eines Medienbüros und freier Autor, hat sich etwas durchaus Pfiffiges einfallen lassen. Er hat verarbeitet, was ihm in die Hände gefallen ist. An irgendeine Vollständigkeit zu denken, das war ebenso ausgeschlossen, wie es notwendig wurde, jeder Nachricht nur einen Satz, in Ausnahmefällen zwei Sätze zuzubilligen. Auch das ist gelungen. Nur in wenigen Fällen wünscht man sich die Information etwas genauer, z. B. wenn es doch einmal sehr lakonisch heißt: Das erste Berliner Sechstagerennen ereignete sich 1909. In die Kategorie „Versprecher“ gehört wohl die Notiz: Als erster Verein Italiens bekam Real Madrid im Januar 1999 einen eigenen Fernsehsender. Es gibt in dem Buch auch einander ergänzende bzw. miteinander in Kontrast stehende Mitteilungen, solche über Novitäten und Abgesänge, über Außer- wie Ungewöhnliches. Genügend Chancen also, unter einer Menge Sandkörnern das eine oder andere Goldkorn zu finden. „Nebensächlich ist dieses Wissen nur vordergründig, denn nichts ist so selbstverständlich, daß es nicht irgendwo bewahrt werden müßte“, lautet eine Devise von René Zey. Zu Recht darf er sich einen „durchtriebenen Jäger und Sammler“ nennen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 04/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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