Eine Annotation von Helmut Eikermann
cover Reimertz, Stephan:
Woody Allen
Eine Biographie.
Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek 2000, 256 S.
Rechtzeitig zum 70. Geburtstag von Allen Stewart Konigsberg ist diese Biographie erschienen, die der Person gemäß eher eine Filmographie des großen kleinen Außenseiters Woody Allen sein muß. Daran hat sich Stephan Reimertz gehalten. Kaum dreißig Seiten schildern „Mister Manhattans“ Leben vor dem Film, 50 Seiten füllt der Anhang mit Quellenangaben, Filmo-, Biblio- und Diskographie und Namenregister, aber leider keinem Filmregister. Dabei sind nun einmal die Filme das Wichtigste in Woody Allens Leben, wie Reimertz nachweist. Wobei sich die Frage aufdrängt, ob das notorische Nervenbündel Woody Allen je im Sinne eines realen Daseins gelebt hat, oder ob es sich auch dabei ausschließlich um seine Reproduktion und Reflexion von/für/durch/in Medien wie Film und Radio handelt. Der Großstadtneurotiker Allen scheint nur im Film und durch die Erinnerung an Filme existent. Daß er seit dreißig Jahren jeden Montag als lebendiger Mensch und Klarinettist seines New Orleans Funeral and Ragtime Orchestras auf dem Podium von Michael's Pub sitzt, ist schwer vorstellbar. Dabei hat Allen allerhand erlebt. 1987 ist er sogar von Hellmuth Karasek interviewt worden.

Erfreulicherweise hält sich Reimertz also in seiner Darstellung an Allens vierzig Filme von „What's New, Pussycat“ (1965) bis „Schmalspurganoven“ (2000) und weniger an das in der Yellowpress hinreichend breitgetretene Privatleben mit Mia Farrow, der es gelang, „ihren Vaterkomplex zu einem Mütterlichkeitswahn zu steigern ... Sie wurde zur heiligen Johanna der Waisenhäuser. Nach und nach füllte sich ihr Haus mit eigenen und angenommenen Kindern. Immer wieder gestatteten die großzügigen amerikanischen Behörden neue Adoptionen. Am Ende wußte die Schauspielerin selber nicht mehr, wie viele Kinder sie hatte.“

Andere Lebensabschnittsgefährtinnen des Meisters kommen mit weniger kritischen, wenn auch knappen Erwähnungen aus: Diane Keaton, die in acht Woody-Allen-Filmen spielte, oder seine zweite Ehefrau Louise Lasser - sie brachte es nur auf drei gemeinsame Filme und wird als pummelig bezeichnet.

Kein Zweifel, Allens Biograph weiß Bescheid im amerikanischen und im internationalen Film, und er läßt es den Leser auf jeder Seite spüren. Der echte Filmfan wird es eher verschmerzen als Reimertz' Lieblingswort „inzestiös“, das der Biograph dem sprichwörtlichen Neurotiker Allen in passenden und zahlreichen unpassenden Zusammenhängen anklebt. Wahrscheinlich hat Woody ja wirklich ein Problem mit seiner Familie. Was beispielsweise sagte seine Mutter zur Weltkarriere des Sohns? „Na ja, er hat's nicht allein geschafft. Seine Herkunft hat ihm sehr geholfen.“


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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