Eine Annotation Bernd Heimberger
Heinrich Krauss:
Die Engel
Überlieferung, Gestalt, Deutung.
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung,
München 2000, 128 S.

Als moderner, ausgewachsener, erwachsener Mensch möchte man doch nicht mehr so recht an die gefiederten, geflügelten menschlichen Metamorphosen glauben - auch Engel genannt. Aber, wer kann darauf verzichten, an seinen persönlichen Schutzengel zu glauben? Ohne Engel geht's, ohne Schutzengel nicht? Da die Frage immer wieder die Gemüter jeder Generation bewegt, gibt's in unregelmäßigen Abständen ein neues Buch über „Die Engel“. Heinrich Krauss, als Theologe in biblischen Dingen beschlagen, als Philosoph und Jurist dem Irdisch-Weltlichen nah, guckte, von allen erdenklichen Seiten, auf die Lieblingsfiguren der Bibel. Daß die bei Menschen so beständig beliebt sind, hat auch damit zu tun, daß sie meist als Boten, Botschafter des Hoffnungsvollen und Hilfreichen gesehen werden. Eine solche Sicht hatte Folgen in der Geschichte der Menschheit. Glaubensmann Martin Luther hielt dagegen. Der Wittenberger wünschte nicht, daß die Engel-Verehrung mißbraucht wird, um sich bei Gott Liebkind zu machen. Sich des privaten Engels habhaft zu machen, war gar nicht nach dem Geschmack des Reformators und seiner Gefolgsleute. Wohin diese Ablehnung führte? Genau dorthin, wo die verweltlichten Engel am liebsten residieren - in der Literatur und Kunst, in der sich Engel prächtig als Märchenfiguren machen. Krauss spricht vom „Gebrauch des Engels als Metapher“. Weil Künstler und Schriftsteller - von Chagall, Barlach, Klee, Kafka, Rilke bis Dürrenmatt - weniger rational dachten als der Autor, ließen sie sich auf die Metapher ein. Die „Eigenart der Engelwelt“, so der Akademiker, sagt einiges über die Art des Menschen und seine Spekulationssucht. Die jeder braucht. Und sei's nur in der Stunde des Sterbens, wenn in der „Nah-Todes-Erfahrung“ dem Menschen die Lichtgestalten erscheinen, von denen Sterbeforscher sprechen. Glauben hin, Glauben her! Es lebt sich erbärmlicher ohne Engel. Kann also nicht schaden, sich durch so ein Buch dieser Lebensbegleiter zu vergewissern!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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