Eine Annotation von Gisela Reller
Kuprin, Alexander:
Die schöne Olessja
Eine Liebesgeschichte aus dem alten Rußland.
Insel Verlag, Frankfurt/M. 2000, 134 S.

Die Geschichte über eine außergewöhnliche Liebe schrieb Alexander Iwanowitsch Kuprin 1898 in Fortsetzungen für eine Kiewer Zeitung, 1911 erschien „Olessja“ zusammen mit anderen Erzählungen erstmals in Deutsch. Nachdem sie Hermann Asemissen 1954 für den ostdeutschen Verlag Rütten & Loening übersetzte, gilt diese Übersetzung nun schon seit fast einem halben Jahrhundert als die beste Übertragung, so daß auch bei diesem insel taschenbuch auf diese Fassung zurückgegriffen wurde.

Die schöne Olessja ist eine von etwa 200 Erzählungen Kuprins (1870-1938), die für ihre Themenvielfalt berühmt sind. Olessja ist eine seltsame junge Frau, die mit ihrer Großmutter in einer verfallenen Hütte mitten im Wald lebt. Beide Frauen werden der Hexerei und des Bösen bezichtigt, niemand will etwas mit ihnen zu tun haben. Auf einem Jagdausflug verirrt sich ein junger Adliger, entdeckt die Hütte mit Großmutter und Enkelin darin und verliebt sich in das eigenartige, schöne Mädchen. Natürlich kann diese Liebe nicht gutgehen.

Kuprins Erzählung „Olessja“, über hundert Jahre alt, ist so geschrieben, daß sie wohl jedem Leser etwas gibt: als ungewöhnliche Liebesgeschichte, als Erzählung mit metaphysischem Hintergrund, als unverfälschte Naturbeschreibung. Kuprin schildert die verschiedenen Jahreszeiten, beschreibt den verschneiten, winterlichen Wald, das Erwachen der Natur im Frühling sowie eine herrliche sommerliche Mondnacht und die unheildrohende Schwüle vor einem Sommergewitter.

Kuprin hatte nach der Revolution von 1917 Rußland verlassen und war, wie viele andere russische Schriftsteller, nach Paris in die Emigration gegangen. „Mein Heimweh“, schrieb er dort, „geht nicht vorüber, es stumpft nicht ab, sondern überfällt mich immer häufiger und wird immer tiefer ...“ Ende Mai 1937 kehrte Kuprin in die Sowjetunion zurück. Die „Prawda“ meldete groß seine Rückkehr, man scheute sich nicht, schreibt Wolfgang Kasack in seinem Nachwort, neue Texte unter seinem Namen zu drucken. Denn Kuprin, schwer krank, physisch und geistig völlig hilflos, er hatte sein Gedächtnis verloren, war zu diesem Zeitpunkt zum Schreiben gar nicht mehr in der Lage. Kuprin, so läßt Kasack wissen, sei gar nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Betreiben seiner Frau in die Heimat zurückgekehrt. Er starb im Jahr darauf.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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