Eine Rezension von Bernd Heimberger

Anlocken und Abschrecken

Thomas Raff: Der Biss des Simplicissimus (Bd. 1)
Monika Peschken-Eilsberger: Der Herr der roten Bulldogge (Bd. 2)
Thomas Theodor Heine, Band 1 und 2, herausgegeben von
Helmut Friedel.
E. A. Seemann Verlag, Leipzig 2000

Die Zeit der besten Zeit hat die Bulldogge längst hinter sich. Die Zeit, da die halbe gebildete Nation darauf lauerte, daß die Bulldogge kräftig zubeißt. Die Zeit, da die andere Hälfte der Nation schadenfroh zusah, wenn die Bulldogge wieder eine Wade erwischte. Der Halter des rothäutigen Hundes mit den gefletschten Zähnen, der seine Kette zerrissen hatte, hieß Thomas Theodor Heine. - Dämmert's? 37 Jahre war Th. Th. Heine der Lotse, der die Leute in den Zwinger „Simplicissimus“ lockte, wo er das angsteinflößende Vieh an der langen Leine laufen ließ. Das Spiel des Anlockens und Abschreckens war der Spaß, den die Abonnenten des Simpl wünschten. Deshalb blieben sie auch die treuen Kunden des Blattes, als dem Köter ein Maulkorb verpaßt wurde und er nur noch ein kläglicher Kläffer war. Heine, der Mitbegründer der Zeitschrift aller deutschen satirischen Zeitschriften, machte die „Burgfriede“-Politik des militanten deutschen Kaiserreiches mit, als das mit Klingelspiel in den Weltkrieg marschierte. Kein rühmliches Kapitel in der Geschichte des „Simplicissimus“, im Leben und der Kunst des Mannes, der als „Der Herr mit der roten Bulldogge“ berühmt wurde.

Monika Peschken-Eilsberger hat eine Biographie des Berühmten, Berüchtigten, Bedrängten und Bedrohten geschrieben. Das war nötig und höchste Zeit. Nicht nur, weil vielen zwar der Name Th. Th. Heine ein Begriff ist, doch kaum etwas von der Biographie kennen. Heines Lebenszeit ist nahezu identisch mit der Auf- und Abstiegszeit des kurzlebigen deutschen Reiches. Die Biographie des Künstlers ist weit mehr als die des Karikaturisten, als der er in Erinnerung ist. Wer weiß, daß Heine ins Sächsische hineingeboren wurde? Zur Welt kam er im wohlhabenden Leipziger Waldstraßen-Viertel am letzten Februartag des Jahres 1867. „Nicht als Flüchtling oder unbekannter Fremder, sondern als geachteter Künstler und schwedischer Bürger wird Heine auf dem Stockholmer Nordfriedhof beigesetzt“, schreibt die Biographin. Bestattet wurde Th. Th. Heine vier Wochen vor seinem 81. Geburtstag.

Die Lebensgeschichte des Graphikers, Malers, Schriftstellers ist nicht die eines Verbohrten und Verbitterten. Heine verstand es, sich seiner Haut zu wehren und sich mit dem Sinn für die Leichtigkeit des Seins von Lasten des Lebens zu entlasten. Betont sachlich, reich an Details und Daten, vermeidet es die Autorin in Vermutungen zu schwelgen, wenn die Biographie weiße Flecken aufweist. Die gewiß nicht nur für Heine-Kenner und -Interessierte ergiebige Schrift ist der Band II einer Ausgabe, die eine umfassende Ausstellung des Heine-Werkes begleitet. Der zweite Band wird dem ersten den Rang ablaufen. Das unter dem Titel Der Biss des Simplicissimus gesammelte „Künstlerische Werk“ protzt nicht mit einer repräsentativ aufgemachten Ausstattung. Ganzseitige Reproduktionen sind rar in dem von Thomas Raff verantworteten Band I. Der ist von der Ausführung her eher eine knapp ein leitende, erläuternde Dokumentation des Ausgestellten sowie im erweiterten Teil ein Werkverzeichnis der nachweisbaren Arbeiten des Künstlers. In Wort und Bild kommt Lesern wie Betrachtern der andere deutsche Jude namens Heine entgegen, mit dem Deutschland, das heißt seine Kultur und Kunst, soviel Glück hatte wie mit Heinrich Heine. Keine Angst, Th. Th. Heine ist halt kein scharfer deutscher Schäferhund!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 03/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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