Eine Annotation von Gerhard Keiderling
Hoffmann, Dierk/Wentker, Hermann (Hrsg.):
Das letzte Jahr der SBZ
Politische Weichenstellungen und Kontinuitäten
im Prozeß der Gründung der DDR.
Veröffentlichungen zur SBZ-/DDR-Forschung im
Institut für Zeitgeschichte.
R. Oldenbourg Verlag, München 2000, 296 S.

Der Sammelband mit 13 Beiträgen versteht sich als Bestandsaufnahme der SBZ-Entwicklung 1948/49 und sucht eine Antwort auf die Frage, „wann der eigentliche Staatsbildungsprozeß einsetzte, wie lange er dauerte und in welchem Verhältnis dazu das Datum der offiziellen Staatsgründung steht“. Der Leser vermutet die Enthüllung von kommunistischer Arkanpolitik, indes resümieren die Einzelbeiträge, daß nicht in jedem Falle das Jahr 1948/49 eine „Etappenzäsur“ darstellte. Im Grunde ist das keine Erleuchtung; schon die DDR-Historiographie sprach von einem „einheitlichen revolutionären Prozeß“ zwischen dem 8. Mai 1945 und dem 7. Oktober 1949. Daß die Staatswerdung der SBZ in engster Korrelation mit der Staatswerdung der in Bi- und Trizone zusammengeschlossenen ABZ, BBZ und FBZ erfolgte, ist längst eine allgemeine Erkenntnis. Allerdings wird diese Interaktion durch den engen etatistisch-institutionsgeschichtlichen Blickwinkel mancher Beiträge verdrängt.

Den Band eröffnen Beiträge zu „Politischen Weichenstellungen im Spannungsfeld von gesamtdeutschen Perspektiven und eigenstaatlicher Entwicklung“. Im Mittelpunkt stehen die deutschlandpolitischen Absichten der UdSSR (E. Scherstjanoi), das Verhältnis zwischen SED und SMAD (J. Foitzik) und Veränderungen in der Blockpolitik (Th. Bauer). Der von Stalin empfohlene „Zickzack“-Kurs (besser: „Doppelgleisigkeit“) lief darauf hinaus, eine gesamtdeutsche Option als wünschenswerteste aller Alternativen offenzuhalten. In aller Deutlichkeit sagte Stalin den drei westlichen Botschaftern am 2. August 1948 in Moskau, wenn sie auf dem Weg zum Weststaat fortschreiten, zwängen sie ihn, einen Oststaat auszurufen. Zu diesem Entschluß rang sich Stalin allerdings erst durch, nachdem seine Berlin-Blockade scheiterte und die Pariser Außenministerkonferenz Mai/Juni 1949 erfolglos endete. Leider findet dieses Thema im Sammelband keine Beachtung. U. Wengst kündigt es zwar für seinen Beitrag „Das Jahr 1948 in der deutschen Geschichte an“, beschränkt sich aber auf den „Stellenwert der deutschen Einheit in den Beratungen des Parlamentarischen Rates“, was folgerichtig nur eine Druckseite füllt.

Im zweiten Komplex „Zentralisierung und Aufbau neuer politischer Instanzen im Vorgriff auf die DDR-Gründung“ werden die Deutsche Wirtschaftskommission (A. Steiner), die Zentralisierung der Arbeitsämter (D. Hoffmann), die Deutsche Verwaltung des Innern einschließlich des Sicherheitsapparates (J. Gieseke), das Justizwesen (H. Wentker) und die Zentrale Staatliche Kontrollkommission (J. Braun) behandelt. Ein dritter Komplex beschäftigt sich mit „Gesellschaftspolitik im Vorfeld der DDR-Gründung“. Thematisiert werden die Umsiedlerpolitik (M. Schwartz), das Bildungswesen (G. Geißler), die Lage des gewerblichen Mittelstandes (R. Schmidt) und die Agrarpolitik (A. Bauerkämper).


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
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