Eine Annotation von Bernd Heimberger
Fünfzig erotische Gedichte
Ausgewählt von Harry Fröhlich.
Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 2000, 117 S.

Begonnen hat Reclams Universal-Bibliothek mit einem großen erotischen Epos. Die Nummer eins war „Faust I“. Unschlagbar - so sehr sich auch die Nummer 18070 anstrengt. Die neue Nummer offeriert Fünfzig erotische Gedichte. Klar, daß da der G. aus W. kräftig mitmischt. Von „Faust“ mal abgesehen, hatte er noch 'ne Menge mehr an Erotischem auf der poetischen Pfanne. Harry Fröhlich, Herausgeber von Nr. 18070, hat zugelangt und lauwarm serviert. Am Ende sitzen die Leser mit leeren Händen da. Der Esprit des Erotischen rinnt schnell durch die Finger. Die Lust am Lustvollen verläppert sich, wenn wieder mal vom lieben Heine zu hören ist: „Des Weibes Leib ist ein Gedicht.“ Diesem Höhepunkt erotischer Erkenntnis angepaßt, wabern reichlich Worte von den Wonnen der Wollust durch die Verse. Manches hat manchmal was mit der männlichen Busengrabscher-Mentalität zu tun. Frohgemut ist Fröhlich auf den erotischen Lyrik-Leim der Adelsklasse deutscher Dichtung gekrochen. 5 Damen verkrümeln sich im Kreis der 43 Edel-Herren. Stiftsdamen, möchte man sagen, die es riskieren, Fußfesseln zu zeigen. Wer was mitbekommen hat vom Erotischen in der Dichtung und der Dichtung der Erotik, wird sich zurückversetzt fühlen in die Scheu-Scham-Zeit - welcher Zeit? Ach, 's war ja noch nicht gesagt: Ausgewählt wurde aus deutscher Dichtung!!! Aus den Werken der Bewährten, Bestätigten, Beständigen. Vor allem von gestern, vorgestern und vorvorgestern. Es scheint nicht nur so: Fröhlich liebt Erotik in Seide. Zuviel Seide macht aber auch Seide nicht erotischer. Der Ton zwischen den Tönen, der der Ton der Erotik ist, verliert seine Tonstärke. „Die Brunst wird Eiß“, ist beim seeligen Martin Opitz zu lesen. Werden wohl auch Gymnasiasten Anno 2000 denken. Für sie ist Nummer 18070 kaum geeignet. Harry Fröhlich hat wohl eher an die Eleven von 1900 gedacht. Ein Elend mit der Erotik!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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