Eine Rezension von Bernd Heimberger

Diktator mit Damen

Erich Schaake/Roland Bäurle: Hitlers Frauen
Paul List Verlag, München 2000, 331 S.

Hitler hatte sie alle. Die Kinder. Die Jugend. Die Soldaten sowieso. Und die Frauen? Auch die Frauen! Obwohl einige, die ihn „Wolf“ nennen durften und auf Tuchfühlung nah waren, behaupteten, daß er „ein absolutes Neutrum, aber kein Mann“ war. Obwohl Hitler-Astrologen und -Archäologen herausgefunden haben, daß der Mann, der nur einen Hoden hatte, gern gutaussehende Männer um sich hatte. Heß zum Beispiel. Speer zum Beispiel. Hitler zum Weiberhelden zu stempeln ist noch keinem Hitler-Historiker in den Sinn gekommen. Den Platz hat Joseph Goebbels in der Hitler-Hierarchie besetzt und belegt. Dennoch: Hitler und die Frauen ist kein unergiebiges Thema. Für einige Bücher hat's schon gereicht. Noch ist die Reihe „Frauen um Hitler“ in der Hitler-Literatur nicht fest geschlossen.

Hitlers Frauen, ein Buch des Journalisten Erich Schaake und seines kooperierenden Autors Roland Bäurle, verdichtet das Thema. Unbestreitbar: Es gibt Überraschendes zu erfahren, sofern man nicht alles gelesen hat, was seit Jahrzehnten herumpubliziert wurde. Überraschendes über die Frauen in Hitlers naher, nächster, allernächster Umgebung. Vieles ist Zeugnis für die genannten Frauen. Einiges für die Zeitumstände. Zum Beispiel, wenn vom zweiten Selbstmordversuch der 23jährigen Eva Braun berichtet wird, die immer wieder als „Mätresse“, als „heimliche Geliebte“ bezeichnet wird, die, bis zum Tag des gemeinsamen Todes mit A. H., im Hitler-Hintergrund blieb. Die wenigen erhaltenen Tagebuchseiten der Eva B. sind erhellend. Sie sagen genug über die Naivität, Dummheit und den geistig-seelischen Zustand der vielfach unbefriedigten Frau. Interessanter aber ist, daß ein jüdischer Arzt das Leben der Hitler-„Geliebten“ rettete sowie ein anderer jüdischer Kollege die Sterbestunden von Hitlers Mutter erleichterte. Daß das „Fräulein“, wie Hitler die von ihm verehrte Halbschwester Angela Braun titulierte, vom Ver-Führer zwei Scotchterrier geschenkt bekam, die auf die Namen „Stasi“ und „Negus“ hörten, wie auch die Tatsache, daß die Frau neben Hitler nie Mitglied seiner Partei war, sind pittoreske Details der Geschichte. Schaake/Bäurle haben das Frauen-Porträt-Album akkurat eingerichtet. Es beginnt mit einer Frau, die Klara hieß, die „Innerhalb eines einzigen Monats ... ein Kind zur Welt gebracht und drei zu Grabe getragen“ hatte. Klara war die Mutter des Adolf, dem nicht zufällig „die Rolle des Prinzen zufiel“. Als der König, sprich Führer, geworden war, gefiel's so mancher namhaften Dame der Gesellschaft - von Bechstein, Wagner bis Riefenstahl -sich häufig an den Höfen des Herrschers zu zeigen.

Schaake/Bäurle geben nicht vor, Analytiker, Historiker, Psychologen, Soziologen zu sein. Gelungen ist ihnen, Fakten, Fakten, Fakten zu „Hitlers Frauen“ zusammenzutragen. Nicht gelungen ist, was versprochen wurde, die Faszination Hitlers auf Frauen zu klären. Wenig taugt in dem Buch für die Aufklärung. Zu vieles neigt journalistischer Vereinfachung zu. Nicht selten sind Sätze, deren Aussagequalität mehr als fragwürdig ist. Zum Beispiel: „Eva sprach Hitler selten auf die Menschen an, die er verfolgen, foltern und ermorden ließ, und sie wollte auch im Regelfall nicht davon hören.“ Sobald die Fakten versagen, verschwindet vieles im Reich der Vermutungen. Dann gibt's nicht wirklich Wesentliches mehr über Hitler und die Frauen zu sagen. Das ist häufig der Fall in Hitlers Frauen. Des Buches Weisheit letzter Schluß: Kaum eine von Hitlers Frauen hat Hitler „gehört“. Gehorcht haben ihm zu viele. Wo sich Schaake/Bäurle ihr Buch zusammenschrieben, ist im Quellenverzeichnis und Literaturverzeichnis nachzulesen. Nun wär mal wieder was Neues nötig! Hitler und seine Hunde. Eventuell.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite