Eine Rezension von Gisela Reller

„Wer sich nicht beeilt - der macht aus Maulbeerblättern Seide und aus Blüten Honig ...“

Judith Peltz: Usbekistan entdecken
Auf der Seidenstraße nach Samarkand, Buchara und Chiwa.
Trescher Verlag, Berlin 2000, 273 S.

Der Berliner Trescher-Verlag sieht sich als Spezialverlag für die Länder Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion. In der Trescher-Reihe Reisen - herausgegeben von Sabine Fach und Bernd Schwenkros - erschien jüngst ein aktueller Reiseführer über Usbekistan.

Der erste Teil des Buches informiert über Land und Leute. Man erfährt Wichtiges über Geographie, Wirtschaft und Gesellschaft, Staatsstruktur, Sprache, Religion, Geschichte, Architektur und Kunst, Essen und Trinken. Ausführlicher erzählt wird über das Verschwinden des Aralsees, über den Baumwollanbau, über den Aberglauben, die Seidenstraße. Endlich einmal wird klipp und klar darauf verwiesen, daß Usbekistan eine der fünf Republiken Mittelasiens, nicht Zentralasiens, ist. Dieser Hinweis ist wichtig, da immer wieder Begriffsverwirrungen auftreten, weil das englische „Central Asia“, das dieses mittelasiatische Gebiet umfaßt, sehr häufig falsch als Zentralasien ins Deutsche übersetzt wird.

Zwischen Text und Karten (Schwenkros) weiß aber wohl die eine Hand nicht, was die andere tut. So wird im Text erklärt, daß Usbekistan „Land der Usbeken“ bedeutet, weil „stan“ Land heißt. Auf der Karte auf der 4. Umschlagseite steht demnach falsch: Kirgistan, statt Kyrgisstan, wobei es mir hier auf die zwei „ss“ ankommt: „stan“ gleich Land, Kyrgys gleich Kirgisen.

Der zweite Teil des Buches beschreibt detailliert Städte und Landschaften: Taschkent, Samarkand, Buchara, Chiwa. Von diesen Städten aus werden Ausflüge in die nähere Umgebung empfohlen und beschrieben: nach Chimgan, ins Ferganatal, nach Kokand, Andijan, Margilan, Namagan, Shahrisabz, Karshi, Termiz, Urganch ...

Die Bücher der Reise-Reihe (2000 erschienen über die ehemalige Sowjetunion Litauen entdecken, Die Ukraine entdecken und Armenien entdecken) sind nicht schlechthin Reiseführer, die Sehenswürdigkeiten aneinanderreihen, sondern die Autoren haben Platz für kleine Extrabeiträge (erkennbar gleich am zweispaltigen Druck), hier: über Alisher Navoij, den Vater der usbekischen Literatur; über Goethe und seinen „West-östlichen Divan“; über Tamerlans Grab und über Tamerlan, den König der Sterne; über Sir Alexander Burnes, der in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts Forschungsreisen nach Mittelasien unternommen hatte; über Hodscha Nasreddin, den orientalischen Till Eulenspiegel ... Judith Peltz - sie führt seit 1995 als Studienreisende regelmäßig Besucher durch Usbekistan - hat sogar Platz für ein ausführliches Rezept zu Usbekistans Nationalgericht Plov, das jedoch, soll es original schmecken, unbedingt mit gelben Möhren zubereitet werden sollte.

In Usbekistan gibt es eine nationale Minderheit: die Karakalpaken, sie bewohnen die Karakalpakische Republik innerhalb Usbekistans mit der Hauptstadt Nukus. Am Schluß des Buches wird ein Horrorszenario entworfen - von dort begrabenen biologischen Waffen, von abgewrackten Wohnblocks in Nukus, von der vergessenen Stadt Muynak am Aralsee, der sich derzeit mehr als zwölf Kilometer von der Stadt entfernt hat. Ich war 1979 zu einer unvergessenen, erlebnisreichen Reise dort, damals hatte sich der Aralsee vier Kilometer von der Fischkonserven-Stadt Muynak entfernt. Wie erschütternd, daß ein Land durch Menschenhand - die beiden Flüsse Amudarja und Syrdarja, die einst in den Aralsee mündeten, wurden von den Republiken Kasachstan und Karakalpakstan zur Bewässerung genutzt und versickern jetzt kilometerweit vor dem Aralsee - in wenigen Jahrzehnten so zugrunde gerichtet werden kann.

Der Band Usbekistan entdecken ist reich mit Schwarzweißfotos (auch mit historischen) ausgestattet, einem ansprechenden Farbteil, mit Übersichtskarten zu den Städtekapiteln und jeweils einer Innenstadtkarte. Am Ende eines jeden Kapitels sind wichtige Adressen und Informationen zu Hotels, Verkehrsverbindungen, örtlichen Reiseveranstaltern, Einkaufsmöglichkeiten usw. zusammengefaßt. Ein kleiner Sprachführer sowohl in Russisch als auch in Usbekisch, Reisetips von A bis Z, Literaturhinweise, ein Glossar und ein Register runden den sehr informativen und lesbaren Text ab - „für Teilnehmer an Gruppenreisen und Individualtouristen“. Aber: Auf der diesjährigen ITB (Internationalen Tourismus-Börse) und in einer mehrteiligen Fernsehfolge wurde auf die Gefahren hingewiesen, mit denen Einzelreisende auf der Seidenstraße rechnen müssen, denn diese ist heute in erster Linie Umschlagplatz für Rauschgift. Nichts davon steht in diesem Buch ...


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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