Eine Rezension von Bernd Heimberger

Beruhigte Bewegung

Péter Nádas: Etwas Licht
Aus dem Ungarischen von Zsuzsanna Gahes.
Steidl Verlag, Göttingen 1999, 288 S., 160 Fotos

Wer ist Péter Nádas? Péter Nádas ist wer! Er ist Dichter. Er ist Denker. Er ist auch Fotograf. Falsch! Er ist nicht auch Fotograf. Péter Nádas ist Fotograf. Und, wie wir nun zu hören bekommen, er ist ausgebildeter Fotograf, der einige Jahre im Beruf sein Brot verdiente. Bis er an die Grenzen des Gewerbes stieß und zu glauben begann, die Grenzen im Schreiben zu überschreiten. Fotografieren und Schreiben können gelehrt werden und sind erlernbar. Zu fotografieren und zu schreiben, wie Nádas fotografiert und schreibt, ist nicht zu erlernen. Aufs Talent kommt's an im Tun. Péter Nádas ist ein Talentierter. Er ist ein Könner. Péter Nádas ist ein Künstler.

Einiges von dem, was der 1942 Geborene gesehen und belichtet hat, seit er als 16jähriger die erste Kamera in der Hand hielt, ist in dem Band Etwas Licht aufbewahrt. Der Bild-Text-Band ist eine künstlerische Biographie und die Biographie des Künstlers. Was Nádas-Leser lieben, hat das Foto-Kunst-Buch: die Klarheit des Ausdrucks. Das verbindliche, verpflichtende Motto und Thema des Fotografen ist: „Schwarz von Schwarz unterscheiden“. Das fotografische Arbeiten erklärend wie die Anlässe und Absichten, schreibt Nádas, daß „starke Konturen und deutliche Perspektiven“ das Wesen eines Bildes sind. „... meine Aufgabe“, so der Autor-Fotograf, ist es, „den unglaublichen Abstand zwischen der Illusion und der Realität zu überwinden.“ Zu fragen ist: Was sieht Nádas zuerst? Sieht er zuerst in der Realität die Illusion oder in der Illusion die Realität?

Der Fotograf Péter Nádas verweigert sich der Hilfestellung raffinierter moderner Techniken ebenso wie modischen Tendenzen des Fotografierens. Seit Jahrzehnten ist der Künstler der Foto-Kunst treu. Nádas verklärt keine Körper und Gesichter wie jene Glanz-Mode-Fotografen, die den Geschmack der Geschmacklosigkeit kreierten, indem sie Körper und Gesichter zerstörten. Gemäß des Mottos und Themas sind die Foto-Bilder von Péter Nádas Symbiosen von Hell und Dunkel. So wie das Gesicht des Menschen eine Beziehung zweier ungleicher Hälften ist. Es kommt darauf an, das eine einzige Gesicht zu sehen und sehen zu lassen. Als Porträtist bietet Péter Nádas beste Beispiele, was es bedeutet, das Gesicht eines Menschen zu zeigen. Auch das eigene. Etwas Licht genügt, damit kein Schatten verlorengeht, der Helligkeit ins Dunkel bringt. Eine Wahrheit wird offen-sichtlich: Wo viel Licht ist, ist zu wenig Schatten. Nur im Schatten gedeiht gut die Sehnsucht nach etwas Licht. Bevorzugte Motive des Péter Nádas sind der menschliche Körper, die Landschaft, ländliches und städtisches Milieu und Interieur. In jedem Bild, also in jeder beruhigten Bewegung, ist der Rhythmus von Licht und Schatten. Der Rhythmus der Fotografien des Schriftstellers gleicht Prosagedichten, die erzählen, was der Moment, Moment, Moment möglich macht.

Momente, die fühlen wird, wer die Foto-Bilder des Péter Nádas lange betrachtet. So lange, bis sich der Herzschlag beschleunigt, bis Tränen in den Augen sind. Freudigeres ist über das Foto-Buch nicht zu sagen. Wirklich nicht, so wahr man Nádas nicht widerlegt.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

zurück zur vorherigen Seite