Eine Rezension von Kathrin Chod
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Marschier oder stirb!

Eckard Michels:
Deutsche in der Fremdenlegion 1870-1965
Mythen und Realitäten.
Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1999, 362 S.

„... oft genug las ich in den Zeitungen über sie Berichte von so ausgesuchten Gefahren, Entbehrungen und Grausamkeiten, wie sie ein geschickter Reklamechef nicht besser hätte entwerfen können, um Tunichtgute meines Schlages anzuziehen. Ich hätte viel darum gegeben, wenn einer dieser Werber, die junge Leute betrunken machen und verschleppen und vor denen mit Engelszungen gewarnt wurde, sich an mich herangemacht hätte.“ Es machte sich aber kein Werber an Ernst Jünger heran, dennoch fand der spätere Schriftsteller 1913, aufmerksam gemacht durch die deutsche Kampagne gegen die Fremdenlegion, den Weg in die Söldnertruppe. Sein Glück war, daß wenig später eine Geheimabsprache zwischen Frankreich und Deutschland die Werbung Minderjähriger für die Legion verbot, so daß Jüngers Vater den 18jährigen heimholen konnte. Das Beispiel Ernst Jünger verdeutlicht gleich mehreres. Die Attraktivität der Fremdenlegion für Deutsche und der Effekt von Kampagnen, die angeblich eine Sache bekämpfen wollen - sie machen diese erst populär.

Eckard Michels widmet sich im vorliegenden Buch der Rolle der Fremdenlegion in den französischen Kolonialkriegen und dem quantitativen und qualitativen Anteil Deutscher in der Legion. In die 1831 gegründete Legion kann eintreten, wer zwischen 18 und 40 Jahren alt, mindestens 1,55 Meter groß und von robuster Gesundheit ist. Der Legionär geht einen Kontrakt von drei oder fünf Jahren ein, der verlängert werden kann. Das sogenannte Anonymat ermöglicht dem Söldner, beim Eintritt in die Legion eine neue Identität anzunehmen und sein Alter sowie seine Nationalität „anzupassen“. Gerade dieses Anonymat, das auch Gesetzesbrechern ermöglichte unterzutauchen, nährte immer wieder Legenden über die Legion. Aber Flucht vor der Strafverfolgung, so zeigt der Autor, war nur eines von vielen Motiven für den Eintritt. Hunger, Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, fehlende familiäre Bande oder einfach nur Abenteuerlust waren häufigere Beweggründe für diesen Schritt. Wie Michels darstellt, mißtraute die Armeeführung zunächst dieser Truppe: Disziplinlosigkeit, Alkoholismus, hohe Desertionsraten waren einige der Vorwürfe. Diese Meinung änderte sich mit den ersten Kämpfen. Erste Einsatzorte waren Nordafrika, Spanien, die Krim, Oberitalien und Mexiko. Hier bildeten sich langsam die Grundmerkmale dieser internationalen Söldnertruppe in den Diensten Frankreichs heraus: eine gewisse Autonomie innerhalb der französischen Armee, der Einsatz in erster Linie in Übersee, ein besonderer Korpsgeist - äußerste Härte und schwere Strafen, gepaart mit einer gleichzeitigen Fürsorglichkeit für die Männer, deren einziger Bezugspunkt und Rettungsanker die Legion war, keine Diskriminierungen wegen unterschiedlichens Glaubens, nationaler oder sozialer Herkunft, Toleranz gegenüber Verfolgten, Außenseitern und Gescheiterten, die diese Einstellung mit einer hohen Loyalität dankten. Die Legionäre galten schnell als undisziplinierte, aber tapfere wie auch rücksichtslose Soldaten.

Der Anteil der Deutschen gab immer wieder Anlaß zu Spekulationen. Der Autor geht davon aus, daß von den ca. 350 000 Legionären zwischen 1870 und 1962 etwa 125 000 Deutsche waren. Bereits zwischen 1870 und 1895 gab es mehr als 50 Prozent Deutsche in der Legion. Mit der wachsenden Zahl Deutscher stieg auch die Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit für dieses Thema, es kamen die ersten wirklichen oder erfundenen Erinnerungsberichte von Legionären und zunehmend Aufklärungsschriften über die Legion auf den Markt, unter Titeln wie „Sibirien in Frankreich“ oder „Die Sklaven der Marianne“. Zeitweise erschien in Deutschland mehr Literatur über die Legion als in Frankreich. Michels verknüpft die Geschichte der Legion und der deutschen Legionäre hervorragend mit den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen. Er weist nach, daß ein höherer Anteil von Deutschen in allererster Linie Folge ungünstiger innerer Bedingungen im Heimatland war. So sank er aufgrund des Wirtschaftsaufschwungs in Deutschland bis 1914 auf ca. 25 Prozent. In den 20er Jahren erreichte er wieder über 50 Prozent und fiel schließlich bis 1939 auf ca. 20. Von 10 Prozent 1945 stieg der Anteil in den 50er Jahren erneut auf über 50 (Höhepunkt: 1953/54 mit ca. 55 Prozent). Mit dem Wirtschaftsaufschwung in der Bundesrepublik erreichte er Ende der 60er Jahre dann 20 Prozent. Die Zahl der deutschen Legionäre wurde in Deutschland, wie Michels nachweist, stets überschätzt. Da keine offiziellen Zahlen vorlagen, konnte man einerseits nur mutmaßen, andererseits nahm man sich des Themas Fremdenlegion aber nicht so sehr aus Kummer über die verlorenen Söhne an, sondern für eine antifranzösische Propaganda (im Kaiserreich), aber auch für andere innen- wie außenpolitischen Ziele (durch die SPD und die DDR in den 50er Jahren). Die Folge waren wahre Schauergeschichten, so die auch später nie belegte Behauptung von den geheimnisvollen Werbern, die deutsche Jünglinge entführten. Mit dieser Propaganda bewirkte man jedoch das Gegenteil, da viele junge Leute erst auf das „abenteuerliche Leben“ in der Legion aufmerksam wurden. Ein Umstand, den das nationalsozialistische Regime berücksichtigte und sofort jede Kampagne, ob für oder gegen die Legion, verbot.

Frankreich hielt die deutschen Söldner für ein kaum zu ersetzendes Kontingent, und so nutzte es stets die von ihm besetzten Gebiete zur gezielten Anwerbung, d. h. nach dem Ersten Weltkrieg das Rheinland und nach dem Zweiten Weltkrieg seine Besatzungszone. Zudem warb man auch durch Druck unter Flüchtlingen, in Internierungs- und Kriegsgefangenenlagern an, was das stets betonte Freiwilligkeitsprinzip etwas fragwürdig macht. Allerdings sollten die geworbenen Soldaten ganz bestimmten Vorstellungen entsprechen, vor allem nach 1939 zeigte sich, daß politisch engagierte Flüchtlinge unerwünscht waren. In noch schärferem Maße galt das für jüdische Freiwillige. Michels macht dafür die „tradierten antisemitischen Klischees“ in der französischen Armee verantwortlich. Danach wurde den Juden unterstellt, „sie seien körperlicher Arbeit und dem Waffenhandwerk abgeneigt“ und würden „dem Ansehen der französischen Truppe in der muslimischen wie europäischen Bevölkerung schaden“. Stellvertretend wird ein Oberst zitiert, der die deutschen Juden unter den Legionären „als intrigant und nur auf einen sicheren Posten in der Verwaltung bedacht“ beschrieb.

Michels widmet sich auch der immer wieder angeführten schlechten Behandlung der Söldner, für die u. a. das Motto „Marschier oder krepier!“ steht. Ehemalige Söldner werteten diese recht unterschiedlich, von einer „Schule fürs Leben“ bis zur „Hölle auf Erden“. Tatsächlich gab es drakonische Strafen gegen Disziplinverstöße, und auch der Sold war bis zum Ende des Algerienkrieges extrem niedrig (in den ersten 18 Monaten des Dienstes 30 DM pro Monat). Größere Anpassungsprobleme an das Legionärsleben, so hebt Michels hervor, hatten vor allem Freiwillige aus bürgerlichen Schichten bzw. gebildete Soldaten. Wer sich aus sozialer Not für die Söldnertruppe entschied, kam mit den Strapazen hier besser zurecht. Die Zahl der Deserteure stieg interessanterweise gerade dann an, wenn keine Kämpfe geführt wurden, was Michels mit dem öden Kasernenalltag erklärt.

Ausführlich geht Michels nicht nur auf den quantitativen, sondern auch auf den qualitativen Anteil der Deutschen in der Legion ein. Die französischen Militärs sahen die deutschen Legionäre zumeist als die besten Legionäre an. Französische Erklärungen, die auf einen militaristischen Nationalcharakter der Deutschen abzielen, weist Michels jedoch zurück, er führt dafür an, daß bis Mitte des 18. Jahrhunderts Deutsche überhaupt keinen herausragenden Ruf als Soldaten hatten und daß ab den 70er Jahren alles Militärische in der bundesdeutschen Gesellschaft zunehmend an Ansehen verlor. Zudem betont er, daß die deutschen Anwärter aufgrund des höheren Andrangs stärker ausgewählt werden konnten und daß - im Gegensatz zu anderen Ländern - militärisch interessierte junge Deutsche jeweils nach den Weltkriegen keine Berufsaussichten in Deutschland besaßen. Hinzu kam, daß das Bewußtsein der deutschen Legionäre, Teil einer Elite zu sein, diese tatsächlich oft zu „Höchstleistungen“ animierte.

Der Autor liefert in seiner fundierten, empfehlenswerten Arbeit eine gut lesbare wie auch faktenreiche Darstellung des Themas. Interessant wäre in diesem Zusammenhang noch gewesen, ob es nach 1989 tatsächlich zu nennenswerten Freiwilligenmeldungen seitens „überflüssiger“ DDR-Militärs kam, wie verschiedentlich behauptet wurde. Ungeachtet dieser Frage ist es Michels Verdienst, die Geschichte der Deutschen in der Legion und damit einen beachtlichen Teil der Geschichte der Fremdenlegion jenseits von Klischees und Legenden aufgearbeitet zu haben.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 02/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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