Eine Annotation von Thomas Przybilka
Ballien, Theo:
Die KlonFarm
Militzke Verlag, Leipzig 2000, 188 S.

Schneider, Rüdiger:
Pandoras Schatten
ders., Leipzig 2000, 219 S.

Schüler, Wolfgang:
Narbengesicht
Roman nach einer Idee von Edgar Wallace.
ders., Leipzig 2000, 219 S.

Bekannt wurde der Leipziger Militzke Verlag unter anderem durch seine Hard-cover-Reihe über ungeklärte Todesfälle, authentische Kriminalfälle, Tatsachenberichte zu Serienmördern und Fallbeschreibungen aus der Gerichtsmedizin, die seit 1990 erscheint. Unter dem Slogan „Militzke mobile“ legte der Verlag im Frühjahr 2000 erstmals fünf Kriminalromane und Thriller vor. Das 10jährige Verlagsjubiläum hat man in Leipzig zum Anlaß genommen, eine Krimireihe zu installieren. Gestaltet ist die neue Reihe so ansprechend wie unspektakulär: ein mattes Silbergrau der vierten Umschlagseite und des Buchrückens, das sich auf der Titelumschlagseite als linker und rechter Balken fortsetzt, um die geschmackvollen Titelgrafiken der neuen Reihe einzurahmen.

Theo Ballien hat sich ein brisantes Thema für seinen Thriller Die KlonFarm ausgesucht. Es geht um das Klonen von „menschlichen Ersatzteilen“.

Arthur Powell ist reich und vom Erfolg verwöhnt. Das einzige Kind von Caroline und Arthur Powell ist ein kränklicher Junge. Der Wunsch nach einem weiteren Kind kann für das Ehepaar Powell leider nicht in Erfüllung gehen. Arthur Powells bitteres Handicap ist Unfruchtbarkeit, hervorgerufen durch einen Strahlenunfall während seiner Militärzeit. Eines Tages wird das Ehepaar von einem Mr. Cornwall kontaktiert, der eine geheimnisvolle Organisation vertritt und der den Powells eine „humanitäre Dienstleistung“ gegen den bescheidenen Beitrag von einer Million Dollar anbietet. Er würde Powell junior klonen, so daß die Powells für alle Eventualitäten auf Organspenden für den kränkelnden Sohn zurückgreifen könnten. Die Powells sind einverstanden. Was sie nicht wissen: Die Organisation von Cornwall betreibt regelrechte Klonfarmen im Dschungel Venezuelas. Dort sind entführte, aber auch freiwillig beteiligte Frauen als Leihmütter interniert. Marià Morales, Medizinstudentin aus Managua, wurde gekidnappt, um als Leihmutter das Klonkind der Powells auszutragen. Marià gelingt die Flucht aus der Klonfarm. Und die Powells wollen auf einmal und gegen jede Abmachung die Zweitversion ihres Jungen zu Hause haben. Powell startet zusammen mit einstigen Armeekameraden ein Kommandounternehmen in den Dschungel Venezuelas ...

Leider ist dem Autor die Verknüpfung des interessanten Plots mit der späten Einsicht des Ehepaars Powell in Ethik und Moral und den dann folgenden aktionsreichen Momenten der Story im Dschungel des lateinamerikanischen Staates nicht immer gelungen.

Rüdiger Schneider unterrichtet in Bochum in den Fächern Chemie, Philosophie und Ökologie. Sein erster Spannungsroman, Pandoras Schatten, transportiert in bester Weise Schneiders Wissen und Kenntnisse. Der Chemielehrer Winter entdeckt während einer Exkursion mit seinem Ökologiekurs einen Toten, der in einem Ölteppich am Ufer der Ruhr dümpelt. Wider besseres Wissen entfernt Winter ein Taschentuch des Toten vom Fundort, um den mit der öligen Substanz getränkten Stoff zu analysieren. Seine Analysen ergeben, daß der Tote über lange Zeit mit dem äußerst gefährlichen Umweltgift PCB in Berührung war. Trotz dieser alarmierenden Analyse schließt das Bochumer KK 11 die Fallakten überraschend schnell. Daraufhin beginnt Winter selber zu recherchieren, denn er glaubt weder an einen Unfall noch an einen Selbstmord. Seine Recherchen führen zu einem Autoverwerter, in dessen Werkhallen auch Transformatoren für die Essener Firma Dekon entsorgt werden. Daß seine Nachforschungen nicht unbemerkt bleiben und er damit gleichzeitig ein Milliardengeschäft der Entsorger empfindlich stört, spürt der umtriebige Chemielehrer schon bald am eigenen Leib. Mit seiner Entführung versucht die Dekon, eine ökologische Katastrophe zu bemänteln. Einige 1 000 Liter des hochgiftigen PCB sind bereits in die Erde versickert und in die Ruhr geflossen.

Rüdiger Schneider ist mit Pandoras Schatten ein äußerst spannender Öko-Thriller gelungen. Ruhig und mit Verzicht auf allzuviel Action treibt Schneider die Geschichte um einen guten Plot voran. Seine kleinen Ausflüge in Philosophie und Chemie füttern die Geschichte gut aus, und seine intelligente Erzählweise fesselt den Leser von der ersten Seite an.

Der Rechtsanwalt und (ehrenamtliche) Bürgermeister Wolfgang Schüler ist spätestens seit seiner Edgar-Wallace-Biographie (Edgar Wallace - Ein Leben wie im Film, 1999) auch einem größeren Publikum als d e r deutsche Wallace-Spezialist bekannt. Was also lag für ihn näher, als sich selber an einem Krimi im Stile des Vielschreibers zu versuchen. Nicht im nebligen London, sondern im Chicago der 30er Jahre ist Narbengesicht angesiedelt. Schüler hat den Wallace-Krimi On The Spot (1931, London; dt. In den Tod geschickt) völlig überarbeitet und modernisiert. So lautet dann auch korrekterweise der Untertitel „Roman nach einer Idee von Edgar Wallace“.

Tony Perelli, der Gangsterboß mit der unübersehbaren Narbe im Gesicht, ist der ungekrönte König von Chicago, der sein Vermögen mit Alkoholschmuggel, Rauschgift, Prostitution und Glücksspiel gemacht hat. Und alle tanzen nach seiner Pfeife: die Polizei, die Richter und die Abgeordneten. Nur Tom Feeny, Chef einer irischen Gang, hat etwas gegen Perellis Vormachtstellung. Feeny will ein größeres Stück von dem Kuchen und den lukrativen Einnahmen. Ein blutiger und brutaler Bandenkrieg entbrennt zwischen den beiden Gangstern.

In 24 Kapiteln erzählt Schüler von Mord und Totschlag zwischen der Welt größtem Schlachthof und der Boom-City Chicagos. Ein netter Gag und eine Hommage an Wallace sind die Kapitelüberschriften - alles (deutsche) Titel aus dem Gesamtwerk des britischen Krimiautors. Für Wallace-Fans gehört Narbengesicht unbedingt in die Sammlung.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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