Eine Rezension von Henry Jonas

Der Verführer in der Goldenen Stadt

Hanns-Josef Ortheil: Die Nacht des Don Juan
Roman.
Luchterhand Literaturverlag, München 2000, 384 S.

Was Hanns-Josef Ortheil (49) mit Faustinas Küsse (1998) und Im Licht der Lagune (1999) begann, wird nun mit Die Nacht des Don Juan zu Ende geführt: eine erotische Kunst- und Künstler-Trilogie. Es ist der sehr gelungene Abschluß eines ambitionierten Unternehmens, das trotz ernsthaften literarischen Anspruchs mit Mozartscher Leichtigkeit und sprachlicher Eleganz bewältigt wurde.

In diesem dritten Buch geht's um die Uraufführung von „Don Giovanni“ 1787 in Prag. Mozart kommt mit der Komposition nicht zu Ende, der Regisseur ist ein unfähiger Dummkopf, der Librettist Lorenzo da Ponte versieht seine Figuren nur mit vulgären und groben Zügen, die Sänger feilschen um die Zahl ihrer Arien und Auftritte, die Stimmung ist gereizt und das ganze Unternehmen gefährdet. Dabei ist ein Erfolg in Prag für Mozart von existentieller Bedeutung, ist in Wien doch sein Stern schon im Sinken ...

Da kommt von Schloß Dux herüber, wo er sein Altenteil hat, Giacomo Casanova. Ein Freund, der Graf Pachta, hat ihm sein Prager Stadtpalais und seine Bediensteten zur Verfügung gestellt, während er selbst in Wien weilt. In dieser Umgebung läuft nun der elegante Schwerenöter noch einmal zur Hochform auf. Er bringt den Glanz einer großen alten Zeit in die Stadt, er gibt Gesellschaften, spinnt die Fäden, intrigiert, verkuppelt, läßt seinen weltläufigen Geschmack walten, verfeinert die Sitten und ordnet die Dinge, bis die Premiere zum umjubelten Finale anhebt.

Dazu freilich muß er den alten Freund/Feind da Ponte aus dem Felde schlagen, sich selbst ans Regiepult setzen, dem Komponisten ein kongenialer Partner werden, die Figuren differenzieren, die Raffinesse und Wortgewandtheit des wahren Verführers in das Spiel einbringen, die Sänger beflügeln, die Mißstimmung beheben, die Ausstattung phantasievoll bereichern. Frauen selbst zu beglücken, dazu ist er nun freilich zu alt, aber seinen großen Erfahrungsschatz philosophisch zugunsten anderer nutzen, das kann er noch immerhin.

Wunderbar, wie hier mit leichter Hand und gleichsam nebenbei ein sympathisches Porträt von Mozart entsteht und wie der merkwürdig-rührenden Beziehung zu seiner Frau Constanze (die zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Entbindung steht) Rechnung getragen wird, wie die geschilderten Menschenbeziehungen die Realität der Konflikte des Opernlibrettos zu beweisen scheinen. Es geht in dem Buch um Musik, es geht um Liebe. In einem Wirbel von Geschichten und mit einem Personal aus allen Schichten und Ständen wird amüsant, glaubhaft und sehr real geschildert, wie eine der bedeutendsten europäischen Opern aus der Taufe gehoben wurde. Das hat Niveau, Leichtigkeit und Anmut, das wird nie grob und gemein, das unterhält und bildet, es erfreut und erwärmt und hat kaum Schwachstellen. Die Handlung überschlägt sich nicht vor Action, sie ist frei von reißerischer Spannung, das Buch ist kein Thriller, aber man legt es doch erst aus der Hand, wenn man die letzte Seite gelesen hat. Wenn das keine Kunst ist!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 01/01 (c) Edition Luisenstadt, 2001
www.berliner-lesezeichen.de

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