Eine Rezension von Helmut Caspar


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Frauen an ihrer Seite

Karin Feuerstein-Praßer:
Die preußischen Königinnen
Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2000, 324 S.

Als sich vor 300 Jahren der brandenburgische Kurfürst Friedrich III. in Königsberg nach langen diplomatischen Vorbereitungen und erheblichen Geldzuwendungen an damalige Entscheidungsträger zum König „in“ Preußen krönte, fiel verdienter Glanz auch auf seine aus Hannover stammende Gemahlin Sophie Charlotte. Sie trug wesentlich dazu bei, daß sich das Ansehen des als „Streusandbüchse“ verlachten Reichs der Hohenzollern verbesserte, und dies nicht durch Waffen, sondern durch die Macht des Geistes und die Freundlichkeit des Herzens. Der ebenso klugen wie schönen Landesherrin und Mutter des späteren Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. waren allerdings nur wenige Lebensjahre vergönnt, schon 1705 starb sie vermutlich an Lungenentzündung. Auf dem Totenbett soll die ebenso lebenslustige wie musisch begabte Monarchin gesagt haben: „Ich gehe jetzt meine Neugier befriedigen über die Urgründe der Dinge, die mir Leibniz nie hat erklären können, über den Raum, das Unendliche, das Sein und das Nichts.“ Der Gatte war untröstlich, er richtete der teuren Toten ein prunkvolles Begräbnis aus und gab der Lietzenburg vor den Toren Berlins den Namen Charlottenburg. Andreas Schlüter, der Hofbildhauer und Schloßbaumeister, schuf einen vergoldeten Sarg, der noch heute im Berliner Dom steht. Der hannöversche Polyhistor, Philosoph und Gründer der Berliner Akademie der Wissenschaften Gottfried Wilhelm Leibniz bescheinigte der Verstorbenen, mit der er so oft über das „Warum des Warum“ gesprochen hatte, sie habe eine unglaubliche Kenntnis auch auf abgelegenen Gebieten und einen außerordentlichen Wissensdrang (besessen), und in unseren Gesprächen trachtete sie danach, diesen immer mehr zu befriedigen, woraus eines Tages ein nicht geringer Nutzen für die Allgemeinheit erwachsen wäre, wenn der Tod sie nicht dahingerafft hätte.

Karin Feuerstein-Praßer beschreibt in ihrem mit Bildern und Stammtafeln sowie einem ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis versehenen Buch über insgesamt sieben preußische Königinnen kenntnisreich und mit Sympathie den von vielen Höhepunkten und traurigen Ereignissen gesäumten Lebensweg der Sophie Charlotte, die sich über die ihr eigentlich zugedachte Rolle, „nur“ die Frau an der Seite des Kurfürsten und Königs zu sein und dem Land einen Thronerben zu schenken, hinwegsetzte und ihr Leben so gestaltete, daß es noch heute der Erinnerung wert ist. Andere Landesmütter sind nur noch Spezialisten bekannt, wenn überhaupt. Hier bringt die Autorin in ihrem lesenswerten Buch Licht ins Dunkel und füllt so eine Lücke in der biographischen Literatur, in der Männer dominieren. Liebesheiraten waren unter gekrönten Häuptern unüblich, ist zu erfahren, Staatsräson und Machtkalkül bestimmten, wer wen ehelichte, ob man zueinander paßte oder nicht. Gelegentlich haben sich die von den Eltern zusammengeführten Paare arrangiert, manchmal entstand so etwas wie Respekt und gar Liebe. Die Mütter künftiger Könige führten in goldenen Käfigen ein meist wenig freudvolles Leben, Intrigen waren an der Tagesordnung, wie am Beispiel der Königin Sophie Dorothea, der Gemahlin des sich auch im Familienkreis recht ruppig gebärdenden Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. und Mutter Friedrichs des Großen, dargestellt wird. Im späten 17. Jahrhundert ging am Berliner Hof sogar die Angst vor Gift um, denn der zweiten Gemahlin des Großen Kurfürsten, Dorothea von Holstein-Glücksburg, wurde nachgesagt, sie wolle die Söhne aus der ersten Ehe ihres Mannes aus dem Weg räumen, um ihren eigenen Kindern die Thronfolge zu sichern.

Entfaltungsmöglichkeiten politischer Art waren für die Kurfürstinnen und Königinnen stark eingeschränkt, kaum ein Herrscher ließ sich in seine Staatsgeschäfte hineinreden. Friedrich der Große gar ließ seine aus Braunschweig kommende Gemahlin Elisabeth Christine seine ganze - von Ausnahmen abgesehen - Verachtung gegenüber Frauen spüren und verbannte sie nach Schönhausen, wo sie ein halbes Jahrhundert, von der Öffentlichkeit unbemerkt, wie im Exil verbrachte. Ausnahmsweise setzte sich der flötenspielende Kriegsherr über ein ehernes Gesetz hinweg, daß ein preußischer Monarch einen Thronfolger zeugen müsse, und so fiel die Krone an einen ganz anders strukturierten Neffen, Friedrich Wilhelm II., der seine Gemahlin Friederike Luise von Hessen-Darmstadt nur zum Kinderkriegen bei sich duldete und ansonsten mehrere Mätressen hatte, die ihm auch noch Kinder schenkten.

Um 1800, ein Jahrhundert nach Sophie Charlotte, glänzte noch einmal eine preußische Königin durch Anmut und Klugheit, diesmal allerdings in einer politisch und militärisch weitaus schwierigeren Situation - Luise von Mecklenburg-Strelitz, die Gemahlin Friedrich Wilhelms III. Sie pflegte mit ihrem eher als bieder zu beschreibenden Gatten ein quasi bürgerliches Leben, ihr flogen die Herzen der Untertanen zu, als sie versuchte, die Folgen der Niederlage Preußens gegenüber Frankreich (1806) durch persönliche Intervention bei Napoleon I. zu mildern. Auch Luise starb früh, wie bei ihrer berühmten Vorgängerin hat eine Lungenentzündung ihr Leben beendet. Eine Legende sank dahin, von der Familie und den Untertanen ehrlich betrauert. Die Autorin vermeidet in der ausführlichen Lebensbeschreibung Königin Luises darüber zu spekulieren, wie sich die Geschichte entwickelt hätte, wenn die Strelitzerin nicht schon 1810 gestorben wäre. Ganz bestimmt hätte sie ihren stets zögerlichen Gatten dazu gebracht, das Heft in die Hand zu nehmen und sich mit Tatkraft an die Spitze der Volksbewegung und Staatsreform zu stellen. So blieb Friedrich Wilhelm III., der sich nach Luises Tod noch eine zweite Frau „zur linken Hand“ nahm, weil sie nicht ebenbürtig war, ein Getriebener statt einer, der selbst die Entwicklung bestimmt.

Die letzte im vorliegenden Buch gewürdigte Preußenkönigin war Elisabeth von Bayern. Sie heiratete Friedrich Wilhelm IV., der als „Romantiker auf dem Thron“ und großer Bauherr, aber auch als Reaktionär und Feind jeder politischen Veränderung und Versager in der großen Bewährungsprobe der Revolution von 1848/49 in die Geschichtsbücher einging. Die zum Protestantismus übergetretene Katholikin wird von Beobachtern als eine Frau beschrieben, der „das Großartige im ganzen Wesen abging, das eine Königin ausmacht“. Unter diesen Umständen gelang es Elisabeth von Bayern nicht, aus dem Schatten ihres Mannes herauszutreten. Als Friedrich Wilhelm IV. unheilbar erkrankte, pflegte sie ihn mit Hingabe und überlebte ihn um 13 Jahre.

Nach Elisabeth hat es noch drei weitere preußische Königinnen gegeben, allerdings trugen sie einen kaiserlichen Titel, denn 1871 war das deutsche Kaiserreich gegründet worden, an dessen Spitze die Könige von Preußen standen. Augusta, Victoria und Auguste Victoria werden im Nachwort nur der Vollständigkeit halber erwähnt, Genaueres erfährt man aus Karin Feuerstein-Praßers Buch über die deutschen Kaiserinnen, das 1997 im gleichen Verlag erschien.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 12/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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