Wer schön ist, und die Pompadour war es, das bezeugen die Bilder, die es von ihr gibt, hat es leichter. Das ist heute jederzeit gut vorstellbar. Ihr Vater nannte sie seine kleine Königin. Und der Philosoph Voltaire nannte sie liebenswürdig, klug, voller Grazie und Talent, geboren mit einem gesunden Menschenverstand und dem Herzen auf dem rechten Fleck. Er kannte sie gut, war sogar der Vertraute ihrer Liebe. Ihre Mutter, ebenso von der Schönheit der Tochter überzeugt wie der Vater, verfolgte mit Eifer die Annäherungen an Ludwig XV., und, verbürgt Voltaire, der über alle Dinge, die in Europa wichtig waren, Bescheid wußte, die Mutter soll häufig gerufen haben: Geben wir zu, die Tochter von Madame Poisson ist ein Bissen für den König.
Sie war die erste Frau aus dem Bürgertum, die in Europa zu solcher Macht aufstieg. Mätresse des Königs, mehr noch, Liebe und Macht zugleich waren im Spiel. Und, was bei Frauen mitunter übersehen wird, sie besaß vorzügliche Fähigkeiten, beherrschte Diplomatie und Politik, besaß Geschmack und Verständnis auch für weniger Privilegierte, war ein Gesprächstalent sondergleichen. Wenn Krieg war, beflügelte oder kritisierte sie die Generale, doch nicht alle Macht- und Blütenträume ihrerseits gingen auf. Zu viel nahm sie auf sich, und so erklärt sich auch die Spannung in ihren Briefen. Hans Pleschinski unterteilt sie in euphorische und in abgründig melancholische, ganz allgemein: eine größere seelische Erosion in allen Bereichen.
Die Bestimmtheit ihres Brieftons beeindruckt allemal. Monsieur, schreibt sie an den Duc de Richelieu, Hand aufs Herz und hören Sie mir zu: lernen Sie von einer Frau, aufrichtig und maßvoll zu sein. Sie kennt ihre Machtposition, spielt ihre Rolle brillant. Sie diktiert, versteht sich aber auch darauf, andere nicht niederzustrecken. Nach der Niederlage der Franzosen bei Roßbach schreibt sie an den Marschall Prinz von Soubise: Ein geschlagener General ist in den Augen der Öffentlichkeit immer ein schlechter General ... Es steht mir nicht zu, in solchen Angelegenheiten zu richten; doch scheint es mir, daß ich mit Sicherheit sagen darf, daß eine Schlacht ein Spiel ist, bei dem die Verlierer fast immer als die Dummen dastehen ... So hört auch sie Klagen, denn die Männer, innerhalb und außerhalb Frankreichs, wissen, daß man König Ludwig XV. nur über ihre Adresse erreicht. Was sie tut, gilt der Nation, dem König. Eine Niederlage kann sie persönlich treffen, denn sie scheint es zweifach zu fühlen, daß sie an der Auswahl der Männer oft teilhatte. Resigniert schreibt sie nach der Niederlage bei Minden: ... die Kriegsangelegenheiten gehören nicht zu meinen Aufgaben, und schon zehn Jahre zuvor bescheinigt sie dem Kriegsminister: Ich liebe die Politik nicht. Aber da mir mein besonderes Los ihr Studium unerläßlich macht, bitte ich Sie, mich weiterhin anzuleiten. Wer derart in die Geschäfte einer Weltmacht verstrickt ist, zahlt immer drauf. Auch wenn die Pompadour zu Beginn ihrer Karriere geradezu tugendhaft erklärt: Alles in allem stelle ich mir vor, daß man nur ein gerüttelt Maß an Redlichkeit und gesundem Menschenverstand braucht. Was jene Politik betrifft, die lehrt, die Menschen hinters Licht zu führen und sie unglücklich zu machen, so bedarf ich ihrer nicht, und Sie, ermahnt sie noch einmal den Kriegsminister Monsieur d'Argenson, sind unfähig, sie mir beizubringen.
Was sie augenscheinlich nicht mag, es kommt doch immer wieder wie eine Lawine auf sie zu. Das ermüdet auf die Dauer auch die stärkste Frau. Von den Intrigen und Querelen ganz abgesehen. Denn wer im Mittelpunkt steht, kennt zu allen Zeiten genug davon. Ein besonders pikantes Kapitel jener Zeit ist das Verhältnis Friedrichs II. zu den Frauen. Maria Theresia, die Zarin Elisabeth von Rußland und die Pompadour waren ihm allesamt unlieb, er kämpfte auch mit unlauteren Mitteln gegen die drei Unterröcke. Kraftworte flogen hin und her, Friedrich nannte die Pompadour Hure, die Pompadour hingegen den Preußenkönig Tyrann. Nicht alles kommt unmittelbar in den Briefen vor, was Würze und Aroma jener Epoche ausmachte. Die nötigen Kommentare liefert Hans Pleschinski nach, manchmal ausführlich, manchmal recht sparsam. Der Leser freut sich auch über die den Briefen nachgeschickten Aufstellungen von Pensionen und Zuwendungen, die die Pompadour verfügt hatte, auch Meine Ausgaben und mein Besitz insgesamt liest sich spannend. Das ganze Buch hat Esprit, und zum Schluß gibt der Übersetzer und Herausgeber Hans Pleschinski auch unumwunden zu, daß diese Arbeit für ihn ganz überraschender, rauschender Besuch war. So mag es auch der Leser sehen, der wenig von der Pompadour weiß, was aber nach der Lektüre dieser Briefe schon wunderbarerweise nicht mehr zutrifft.