Eine Rezension von Helmut Caspar


Polemik gegen Geizwänste und Wucherer

Martin Luther und das Geld
Aus Luthers Schriften, Briefen und Tischreden.
Gesammelt, kommentiert und eingeleitet von Martin Treu.
Herausgegeben von der Stiftung Luthergedenkstätten in
Sachsen-Anhalt.
Drei Kastanien Verlag, Wittenberg 2000, 95 S.

Als Martin Luther im Jahr 1546 starb, hinterließ er ein beträchtliches Vermögen. Obwohl der Wittenberger Professor als Mönch Besitzlosigkeit gelobt und zeit seines Lebens Zurückhaltung gegenüber materiellen Gütern gelehrt hatte, hatte sein aus Immobilien sowie Kunstwerken, kostbaren Silberbechern, Juwelen und Büchern bestehender Nachlaß den Wert von neuntausend Gulden, was einem heutigen Vermögen von zwei Millionen Mark entspricht. Bargeld existierte in der Familie kaum, auch im Testament wird dergleichen nicht erwähnt. Die meiste Habe war dem Reformator von Fürsten und Freunden geschenkt worden, er selber bezog zwischen 200 und 300 Gulden Jahresgehalt, das ihm die sächsischen Kurfürsten gewährten, nahm aber kein Honorar für Predigten und Schriften, sondern spendete den Armen und zur Aufrüstung gegen die Türkengefahr. Da er erhebliche Ausgaben für den großen Haushalt hatte und wohl auch von Leuten hintergangen worden war, die er bei sich aufgenommen hatte, wußte er oft nicht, wie er seine Schulden begleichen sollte. Dann wurden eben auch die so geliebten Silberbecher verkauft. Letztlich lag dem in einer noch sehr agrarisch geprägten Welt lebenden Theologen an all den „Gütern dieser Welt“ nicht sehr viel, über sie stellte er das Wort Gottes. Lieber wolle er alles aufgeben, seine Familie und sein eigenes Leben, ehe er „dem Wort Gottes etwas abbreche“. In den Wirren des Schmalkaldischen Krieges zwei Jahre nach Luthers Tod schmolz dessen Hinterlassenschaft dahin. Seine so geschäftstüchtige Witwe Katharina, die eine Art Finanzministerin der Familie war und auf Geldanlage in Form von Grundstücken und Häusern gedrungen hatte, mußte sich von ebendiesen sowie von Luthers Sammlung silberner Becher und von Schmuck trennen, und so ist von diesem stattlichen Besitz nur noch wenig erhalten. Es ist daher nur auf indirektem Wege möglich zu zeigen, was in einem gehobenen Haushalt wie dem von Luther angesammelt wurde, was man in besseren Kreisen an Hand und Hals trug, woraus man trank und aß. Dies veranschaulicht die von der Staatlichen Galerie Moritzburg in Halle, dem Landeskunstmuseum von Sachsen-Anhalt, in die Wittenberger Lutherhalle entliehene Ausstellung „Die Güter dieser Welt“, in der, wie schon berichtet, auch zahlreiche Medaillen gezeigt werden. Zu dieser Ausstellung erschien ein von Mitarbeitern der Moritzburg-Galerie verfaßter Katalog. Wer indes etwas über Luthers Verhältnis zu Geld und Geldverleihern, über Kaufleute, Inflation und „festes“ Einkommen, Kuxe (die Vorläufer von Aktien), Zinserträge und Bürgschaften, aber auch den Nutzen von Sachwerten wie die eingangs erwähnten Silberbecher, über Geben und Nehmen und viele andere in seinen Predigten und Schriften behandelte Themen erfahren will, findet in der anläßlich der Hallenser Ausstellung herausgebrachten Zitatensammlung aus der Wittenberger Lutherhalle reichliches Material. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter des reformationsgeschichtlichen Museums mit der Materie bestens vertraut, verbindet Martin Treu die Auszüge mit kurzen Kommentaren, die wesentlich zum Verständnis der Äußerungen des Reformators beitragen.

Der Bearbeiter räumt ein, daß das Material nicht vollständig ausgewertet werden konnte, das hätte den Rahmen des schmalen Heftes gesprengt. Für Numismatiker enthält es nützliche Informationen, so über das Fehlen an Kleingeld, dessen Herstellung sich nicht rechnete, oder die Warnung vor minderwertigen märkischen Groschen. Immer wieder sieht sich Luther genötigt, wortgewaltig gegen Geizwänste, wie er sagt, und Wucherer anzugehen, die an den Galgen gehören, weil sie wollen, „daß alle Welt in Hunger, Durst, Not und Jammer verderben muß, wenn es nach ihm geht, damit er alles allein hat und jedermann ihn als seinen Gott betrachtet und ewig sein Sklave sein muß. Da lacht ihm sein Herz, das erfrischt ihm das Geblüt“. Für Luther war es kein Widerspruch, gegen solche Menschheitsverderber zu polemisieren und gelegentlich Geschenke aus Erträgen „angelegter“ Kapitalien anzunehmen. Nur wenig scheint den Wittenberger die rasante Entwicklung der Geldwirtschaft interessiert zu haben, seine Rechnungen zeigen Additionsfehler.

Daß Luther auch Medaillen aus Gold und Silber geschenkt bekam, steht fest, was aber aus diesen „Schaupfennigen“ wurde, ist unklar. Wie sehr er solche Bildnisse schätzte, zeigt ein ganz zum Schluß der Anthologie wiedergegebenes Zitat. Bei dem Nürnberger Patrizier und begeisterten Lutheraner Friedrich Pistorius bedankt er sich für eine Medaille mit folgenden Worten: „Ich freue mich, ehrwürdiger Herr, über die Silbermedaille mit deinem Bild, womit ich dich als einem Abwesenden doch bei mir behalten kann: deine Seele nämlich sehe ich aus deinen Briefen, deinen Körper aber aus der Silbermedaille.“ Vielleicht wird Treus Bemerkung, Geschenke wie die hier erwähnte Silbermedaille wird Luther viel öfter erhalten haben, als die Quellen vermuten lassen, von Medaillenkundlern als Anregung verstanden werden, dem nachzugehen. Daß das Thema „Luther und das Geld“ ausbaufähig ist und sicher noch viele Überraschungen bereithält, zeigt schon jetzt die von Martin Treu getroffene und allen Interessenten empfohlene Auswahl.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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