Eine Rezension von Gudrun Schmidt


Lust an der Provokation

Esther Vilar: Eifersucht
Roman für drei Faxmaschinen und ein Tonbandgerät.
Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1999, 175 S.


Mit ihrem ersten Buch Der dressierte Mann, im Untertitel als „Streitschrift“ apostrophiert, brachte Esther Vilar die Feministinnen in Rage. Das war 1971, als Frauenbewegte allerorts den Aufstand probten, unkonventionell und mit Furore für einen neuen, selbstbestimmten Platz der Frauen in der Gesellschaft stritten. Da kam eine wie die Autorin daher, hübsch, gescheit, mit Mitte Dreißig in den besten Jahren, und fiel ihnen in den Rücken. Nicht der Mann beute die Frau aus, sondern genau das Gegenteil sei der Fall. Na, da ging was los. Auch an tätlichen Angriffen soll es nicht gefehlt haben. Doch Der dressierte Mann war heiß begehrt und ist in 21 Sprachen und in über zwei Millionen Exemplaren erschienen. Das Problem scheint weltumspannend zu sein.

Zunehmend ist Esther Vilar, Medizinerin von Haus aus, die als Tochter deutscher Emigranten in Buenos Aires geboren wurde, auch als Theaterautorin hervorgetreten. Ihr Stück „Speer“, über Hitlers Architekt und späteren Rüstungsminister, der in die DDR geholt wird, um die marode Volkswirtschaft zu sanieren, wurde in Berlin in der Inszenierung und unter Mitwirkung von Klaus Maria Brandauer ein Riesenerfolg.

Der neueste Roman Eifersucht, zumindest der erste Teil, dürfte die Zustimmung der Post-Feministinnen finden. Sie gründen zwar nicht gerade ein Netzwerk - die betrogene Ehefrau und die betrogene Geliebte, aber Freundinnen können sie schon sein. Eifersucht schafft auch Gemeinsamkeiten. Erzählt wird eine herrlich doppelbödige Geschichte. Sie spielt in einem Hochhaus. Wie im klassischen Drama hält sich Esther Vilar an die Einheit des Ortes. Das sorgt für Zuspitzung der Konflikte und Spannung. Verwickelt sind darin vier Personen und drei Faxgeräte. Dreh- und Angelpunkt ist Lazlo, erfolgreicher Anwalt, in den Fünfzigern und seit achtzehn Jahren glücklich mit Helen verheiratet. Als Nebenbuhlerin greift Yana mittels Fax in das Geschehen ein. Sie hat als Architektin das Haus mitgebaut und kennt das Geheimnis einer Penthouse-Wohnung, das sie schamlos ausnutzt, um die arme Helen wie in einer Peep-Show von der Untreue ihres Mannes zu überzeugen. Doch die Strafe folgt auf dem Fuß. Die vierzigjährige Yana verliert Lazlo an die fünfundzwanzigjährige Studentin Iris. Aber auch das geht nicht gut ...

Die Story hört sich nicht gerade aufregend an, solche Vorkommnisse kennt man zur Genüge. Aber Esther Vilar erzählt davon so pointiert, mit Witz und hintergründigem Humor, daß man seine helle Freude hat. Auf leichte Art werden ebenso einfache wie brutale Wahrheiten gesagt. Stimmt es etwa nicht, daß die Frauen selbst schuld sind, wenn ihnen die Männer davonlaufen? „Wer erzählt diesen älteren Herren, wie anziehend graue Schläfen wirken? Wer sagt ihnen, daß ihr Fettwanst erotisch ist - und daß es auf ein bißchen Potenz mehr oder weniger nicht ankommt, weil es einer Frau ja sowieso in erster Linie um Zärtlichkeit geht? ... Nicht unsere ergrauenden Männer schieben uns, die ihr Grau wegfärbenden Ehefrauen, auf das berühmte Abstellgleis. Das besorgen wir schon selber. Und warum? Weil wir verlogen, opportunistisch und intrigant sind. Weil wir weder Würde noch Ehrgefühl besitzen. Haben Sie schon erlebt, daß ein junger Mann von den grauen Zöpfchen oder dem Wabbelbauch seiner ältlichen Angebeteten schwärmt? Daß er ihr sagt, der Sex sei nicht wichtig, weil es ihm, dem Jungen, ja ohnehin nur ums Streicheln gehe? Obwohl er hier sogar möglich wäre, der Sex: Dem alten Mann verkümmert sein Liebesinstrument, doch haben Sie je gehört, daß seiner Frau während der Menopause die Scheide abhanden kommt?“

Solcherart sind die feinsinnigen Bosheiten, mit denen sich die Kontrahentinnen per Fax näherkommen. Sie versuchen, sich einzuschüchtern, drohen mit Erpressung, beschimpfen sich aufs erbitterste, um im nächsten Fax in rührender Besorgnis daran zu erinnern, beim Kochen auf wenig Salz und wenig Fleisch zu achten, da der Gute aufgrund seines Übergewichts zu erhöhtem Blutdruck neigt.

Und da mit Statistik fast alles zu beweisen ist, was nicht bewiesen werden kann, wird lustvoll Liebesmathematik eingesetzt, um sich gegenseitig den Mann auszuspannen. Trübe Aussichten für Vierzigjährige, die sich einen Fünfundfünzigjährigen angeln.

Sie sollten sich auf rund zweiunddreißig Jahre Keuschheit einstellen. Yana zum Beispiel würde Lazlo laut Statistik um sieben Jahre überleben. Da sie aber fünfzehn Jahre jünger ist, bedeutet dies, daß sie die letzten zweiundzwanzig Jahre einsame Witwe wäre. Aber damit nicht genug. Einkalkuliert werden muß noch die zu erwartende Impotenz. Selbst wenn sie bei einem Prachtexemplar wie Lazlo erst zehn Jahre vor seinem Tod eintritt, ist ins Kalkül zu ziehen, daß Yana vor den 22 Jahren Enthaltsamkeit als Witwe schon zehn Jahr neben einem „Mann ohne Unterleib“ liegt. Da gibt es nur eine Schlußfolgerung: „Zum Teufel mit der hohen Lebenserwartung von uns Weibern! Was nützt uns ein langes Leben, wenn es dann keine Männer mehr gibt?“

Ende gut, alles gut oder nicht? Das ist Ansichtssache. Recht hat Helen, wenn sie zum Schluß resümiert: „Ein Mann, den zur gleichen Zeit zwei oder mehr Frauen lieben, ist ja wie eine Aktie, die über ihrem Wert gehandelt wird. Neunzig Prozent von dem, was man an ihm begehrt, hat man in ihn hineinphantasiert. Und darum ist es unvermeidlich, daß er nach dem Triumph über die Konkurrenz auf seinen Nominalwert zurückfällt.“ - Aber der kann ja auch wieder steigen.

Sonst noch was? Ja, es gibt einen zweiten Teil Eifersucht. Katalysator ist hier kein Faxgerät, sondern ein Tonband, auf dem ein in die Jahre gekommener Opernsänger die Liebesbeteuerungen all seiner Damen verewigt hat. Da er als „Fliegender Holländer“, seine Bravourrolle, auf den Opernbühnen der Welt Erfolge feiert, lädt er zum Stelldichein auf sein Hausboot. Die Idee ist hübsch und die Verführungskunst des Sängers gewaltig. Auf 1560 Geliebte hat es der Sechzigjährige gebracht. Nicht schön muß sie sein, aber treu soll sie sein. Und da sucht er wie der „Fliegende Holländer“ lange nach seiner Senta. Doch wurde der Holländer in der Wagner-Oper erlöst, und sei es, daß sich Senta als Treuebeweis noch vor der Hochzeitsnacht vom Felsen ins Meer stürzt. Nach dem Motto: „Nur eine tote Frau ist eine treue Frau!“ Bemitleidenswerte Ehemänner, sie sind hier die Gehörnten, denn für die Frauen ist der Ehering geradezu „... ihr Blankoscheck, ihr grünes Licht“ für Untreue. „Was immer passiert, es wird auf keinen Fall Komplikationen geben. Denn den anderen, den Versorger, den Trottel, den hat sie ja schon ...“ Praktisch gedacht und gehandelt. Ob wenigstens eine die Probe besteht?

Wieder schreibt Esther Vilar geistvolle Dialoge, spielt mit unvorhergesehenen Wendungen, bemüht Liebesstatistik. Tragen im ersten Teil die Frauen ihren Florettkampf um Liebe, Eifersucht, Treue aus, ziehen im zweiten Teil die Männer nach. Mancher Hieb, wenn auch abgewandelt, kommt einem allerdings schon bekannt vor. Schade, daß trotz des hübschen Grundeinfalls irgendwie die Spannung raus ist. Oder gibt es doch nicht so viele Unterschiede?


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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