Eine Rezension von Thomas Przybilka


Ein britischer Frühlingsschocker
Mo Hayder: Der Vogelmann
Wilhelm Goldmann Verlag, München 2000, 411 S.


Lange Zeit schien es, daß Thomas Harris Das Schweigen der Lämmmer nicht überboten werden könnte. Seit Anfang 2000 wissen wir es besser. Thomas Harris hat seine Meisterin gefunden: Mo Hayder und ihr nervenaufreibender Thriller Der Vogelmann setzt die Akzente neu.

Es ist Frühling in London, doch dem Leser wird der Frühling wohl so recht nicht bekommen. Auf einer Industriebrache in der Nähe des Millennium Dome werden fünf Tonnen mit grausigem Inhalt gefunden. Die Leichen von fünf Frauen wurden hier von einem Ritualmörder entsorgt. Allen fünf Leichen ist eines gemeinsam - in den Brustkörben, dort, wo einst das Herz schlug, sind kleine Vögel eingenäht. Und die Untersuchungen ergeben, daß die Vögel lebend in die Leichen eingenäht wurden, um eben ein schlagendes Herz vorzugaukeln. Für Detective Inspector Jack Caffery beginnt ein Ermittlungsalptraum, den er so schnell wie möglich loswerden möchte. Daß alle ermordeten Frauen als Prostituierte arbeiteten, macht seine Nachforschungen nicht gerade einfacher. Zudem holen Caffery Erinnerungen aus der Kindheit ein. Erinnerungen an seinen Bruder, der spurlos verschwand und möglicherweise ermordet wurde. Seine Recherchen stellen sich nicht nur als äußerst schwierig dar, sondern Kollegen und Vorgesetzte nehmen auch Cafferys Verdacht gegen den Kunstsammler Harteveld nicht ernst. Als Harteveld zufällig in eine Verkehrskontrolle gerät, sieht er sich eingekreist und begeht Selbstmord. Bei der folgenden Durchsuchung der Villa des Kunstmalers finden Caffery und sein Team zahlreiche Hinweise auf die Opfer. Der Fall scheint endlich gelöst. Doch dann macht eine Mitarbeiterin eines Krankenhauses eine entsetzliche Entdeckung: In einer Mülltonne liegt, grausam zugerichtet, eine ohnmächtige Frau. Und ihre Verletzungen tragen akkurat die Handschrift des „Vogelmannes“...

Mo Hayder, ein Pseudonym, hat mit Der Vogelmann einen atemberaubend spannenden Serial-Killer-Roman vorgelegt, der passagenweise Leuten mit schwachen Nerven den Angstschweiß auf die Stirn treiben dürfte. Ihr Erstlingskrimi hat in Großbritannien so gefallen, daß er ihr den Ruf einbrachte, der neue Star unter den britischen Krimiautoren zu sein und sie seit Erscheinen von Birdman im Januar 2000 als die wichtigste literarische Entdeckung seit Minette Walters gilt. Zwei Jahre hat Hayder am „Vogelmann“ gearbeitet. Zur Zeit schreibt sie an einem zweiten Roman um den Detective Inspector Jack Caffery.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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