Eine Annotation von Gabriele Brang


Strittmatter, Eva und Erwin:

Du liebes Grün

Ein Garten- und Jahreszeitenbuch.
Aufbau-Verlag, Berlin 2000, 160 S.

In fast weiser Voraussicht hat der Aufbau-Verlag pünktlich zum kalendarischen Frühlingsbeginn ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Strittmatter-Werk herausgegeben. Schmachten doch unsere Augen und Sinne zu keiner anderen Jahreszeit so sehr nach dem Grün des Lebens wie nach einem tristen grauen Winter.

„Du liebes Grün, Brennesselgrün...“ beginnt eines von Eva Strittmatters Gedichten, die hier zum erstenmal mit Texten Erwin Strittmatters vereint sind und, in diesem Falle noch eine Besonderheit, von Landschafts- und Naturaufnahmen ausdrucksvoll ergänzt werden.

Eigentlich hieße es, Eulen nach Athen zu tragen, über das Autorenehepaar Strittmatter zu schreiben. Was in diesem Falle nicht gelten soll, denn wie anhand einer geschickten Auswahl ihrer Texte die Dichterin und der Schriftsteller scheinbar in ein Gespräch treten, das weit über jene hinlänglichen Naturbetrachtungen im Jahreszeitenlauf hinausgeht, ist schon erwähnenswert. Obwohl es sich dabei um bereits Bekanntes aus ¾hundert Kleingeschichten, dem Schulzenhofer Kramkalender und den Gedichtbänden Eva Strittmatters handelt.

Sehr schöne, nie klischeehaft wirkende Fotos Lennart Fischers und Rainer J. Fischers reflektieren die aus dem Leben mit und in der Natur entstandene Poesie der Texte. Gemeinsam sind sie zu einer Symbiose von visuellem und geistigem Sinn verschmolzen und zeigen letztlich, was beider Strittmatters Schaffen schon immer ausmachte: „...aus wie vielen Gründen der Mensch seiner Umwelt verpflichtet ist.“ Mit welch kritischer Sensibilität Veränderungen wahrgenommen, mit welchem philosophischen Gehalt diese von Dichterin und Autor sprachkünstlerisch analysiert werden, ist hier, wie in allen ihren Werken, zu spüren.

„Manchmal gelingt's einem für kurze Zeit, still wie die Dinge, aber mit der angespannten Aufmerksamkeit eines Vollmenschen zu leben, und man wird Zeuge merkwürdiger Vorgänge.“ So, mit stiller, angespannter Aufmerksamkeit sollte man sich dem Buch widmen; und man wird Zeuge wundersamer Vorgänge - den Gesetzen des Lebens, in denen der Mensch keine bedeutendere Rolle spielt, als diese eine letzte Rose im Oktoberwind.

Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die uns wohl ein ewiges Rätsel bleiben. So z. B., wer im Verlag auf die einfallslose wie irreführende Idee kam, Du liebes Grün im Untertitel „Ein Gartenbuch“ zu nennen. Bei aller phantasieerprobten Lesart der Rezensentin, das ist es wahrlich nicht.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08+09/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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