Eine Rezension von Kathrin Chod


Das Lexikon im Westentaschenformat

Der Taschenbrockhaus
Verlag F. A. Brockhaus, Leipzig 1998, 512 S.

Der Taschenbrockhaus - Unsere Welt
Verlag F. A. Brockhaus, Leipzig 1999, 512 S.


Der Taschenbrockhaus soll „kompetente Erstinformation“ zu allen wichtigen Sachgebieten bieten und ist in die Themenbereiche Weltall, Erde, belebte Welt, menschlicher Körper, Wissenschaft und Technik, Transport, Welt, Mensch und Gesellschaft sowie Geschichte aufgeteilt. Der Taschenbrockhaus - Unsere Welt liefert hingegen Informationen in den Kapiteln Natur und Naturwissenschaften, Chemie und Physik, Erde und Wetter, Weltall sowie belebte Welt.

Ein Blick in das Impressum verrät, daß die hier vorliegenden Brockhäuschen ( Format:
10cm x 13,4 cm x 4 cm) britische Produkte sind. Ein Trend bei derart aufwendig gestalteten Büchern - vor allem Kinderbüchern und reich illustrierten Sachbüchern -, reduziert dieses Vorgehen doch die Kosten ganz erheblich. Was für den Produzenten effektiv ist, hat für die Nutzer jedoch erhebliche inhaltliche Folgen - schließlich wird so ein anglo-amerikanisch geprägtes Bild vermittelt -, was beim Fortpflanzungszyklus des Frosches oder dem Aufbau einer mittelalterlichen Burg natürlich völlig egal ist. Anders sieht es aber beispielsweise aus, wenn die Meilensteine der Astronomie dargestellt werden. So sind von 21 aufgeführten Wissenschaftlern 14 Anglo-Amerikaner.

Ein anderes Phänomen zeigt sich beim Vergleich beider Büchlein. Da gibt es zu identischen Abbildungen unterschiedliche Erklärungen. Mal wird eine Muschel als Pilgermuschel, mal als Kammuschel bezeichnet. In einem anderen Fall kann man zwischen der Bezeichnung gewöhnliche Herzmuschel oder Schnecke wählen. Das Männchen der Geburtshelferkröte scheint auch recht wechselnde Gewohnheiten zu haben, so trägt es in „Unserer Welt“ die Eier „an den Hinterbeinen“, im anderen Lexikon aber „auf dem Rücken“. Neben diesen inhaltlichen „Abweichungen“ ist auch die Zahl zusätzlicher Informationen zu den Zeichnungen unterschiedlich und wird offenbar durch das Layout bzw. die Absicht bestimmt, so viele Abbildungen wie nur möglich auf eine Seite zu bringen. So werden im Allgemeinlexikon sechs Teile einer Amöbe bezeichnet und ausgerechnet im naturwissenschaftlichen Lexikon nur drei. Dafür hat man noch Zeichnungen über den Lebenszyklus der Schleimpilze und den Aufbau tierischer und pflanzlicher Zellen danebengepreßt. Auf kleinem Raum soll so eine Vielzahl an Informationen gepackt werden. Der Klappentext spricht von 10 000 Definitionen, dazu gibt es jeweils mehr als 1 000 farbige Abbildungen.

Die Darstellung erinnnert irgendwie an ein Nachrichtenmagazin - „Fakten, Fakten und immer an die Leser denken“. Abgesehen von den USA, für die 15 Seiten abfallen, erhält man im Kapitel Welt neben wichtigen Daten in der Regel e i n e bis d r e i charakteristische Informationen zu Ländern der Erde. „Libanon - Die Presse erfreut sich im Libanon größerer Freiheit als in jedem anderen arabischen Land“, oder „Türkei - Weintrauben ... wurden zuerst im türkischen Anatolien angebaut“, oder „Spanien - Die jungen Männer leben meist bis Ende 20 bei ihren Eltern“, oder „Togo - Der togolische Einzelhandel wird von den Nana Benz, den Marktfrauen beherrscht“. Mit solcherart Informationen gewappnet, hat man natürlich einen idealen Reisebegleiter, heißt es doch im Klappentext, dieses Lexikon könne man überall dabeihaben, „... es findet in jeder Tasche Platz, auf der Reise, im Urlaub, in der Schule“. Die Formulierung der Presseinformation - das „Lexikon im Westentaschenformat“ ist allerdings doppeldeutig. Aber vielleicht sollte man auch keinen zu hohen Maßstab anlegen, immerhin hat man hier zwei Brockhauslexika, die sich nun wirklich jeder leisten kann.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 08+09/00 (c) Edition Luisenstadt, 2000
www.berliner-lesezeichen.de

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